1 Vorbemerkungen
1.1 Zielsetzung
Sie teilen dieselbe Verzweiflung und dieselbe Todesangst. Sie eint eine Freundschaft, die im poetischen Wort ihren Halt und ihre Hoffnung findet. In einem einsamen Kampf versuchen sie gemeinsam, den Horror der Naziverfolgung im Gedicht aufzubewahren und zu überwinden."(1)
Die Beziehung von Paul Celan und Nelly Sachs scheint auf weitreichenden Gemeinsamkeiten bei ihrer menschlichen und künstlerischen Identitäts-suche nach den zuvor erlebten schrecklichen Erfahrungen des Holocaust zu beruhen.
Bei intensiver Auseinandersetzung mit dem ersten Zyklus von Celans DieNiemandrose wird man auch unweigerlich mit Celans enger Beziehung zu Nelly Sachs konfrontiert. Doch bleibt zu fragen, ob das von Bach zitierte 'harmonische' Bild einer Freundschaft sich auch in den Texten Celans widerspiegelt.
Ich konzentriere mich in vorliegender Arbeit nach einer Betrachtung der persönlichen, religiösen und poetologischen Wechselbeziehungen von Celan und Sachs (siehe Kapitel 2: Celan und Sachs) auf ausgewählte Gedichte aus Celans Die Niemandsrose (Zürich, Zum Storchen, Soviel Gestirne und Die Schleuse), mit denen ich versuche, diese Beziehungen zu interpretieren.
Der Versuch der Interpretation dieser drei Gedichte basiert auf dem 'Dreischritt' textimmanente Interpretation, Gedichtkommentar und Interpretation unter Einbeziehung des Kommentars.
Der erste Zugang entspricht einer zunächst sprachautonomen bzw.
textimmanenten Interpretation, die sich ohne jegliches Vorwissen an den
Text annähert. In einem zweiten Schritt steht der Kommentar der Gedichte
im Zentrum. Hier soll versucht werden, alle jene 'Fakten' aufzudecken,
die zur Entstehung des Gedichts beigetragen haben. Ein dritter Schritt
besteht in dem Versuch, die Gedichte mittels dieser jetzt poetisch veränderten
Bezüge zu interpretieren, auch im Hinblick auf mögliche Aussagen,
welche die Begegnung von Celan und Sachs beschreibbar machen.
1.2 Interpretationsansätze - persönlicher Ansatz
Die Celan-Philologie spaltet sich grundsätzlich in zwei Richtungen. Grundlegend für die Differenzen im Interpretationsansatz zwischen Sprachautonomisten (nicht-referentiell) und Vertretern einer referentiellen Interpretationsidee ist die verschiedene Auffassung von Lyriksprache.
Für die erste Gruppe(2)
besteht nur die Wirklichkeit des Textes und der Sprache, die Existenz empirisch-mimetischer Elemente in der Sprache des Gedichts wird verneint. Biographische oder geschichtliche Details bzw. alle Zusatzinformationen, die außerhalb des Gedichtes stehen, sind ihrer Meinung nach für das Verstehen irrelevant, ein backdoor approach"(3)
zum Gedicht wird abgelehnt.
Konfrontiert man die sprachautonome Gedichtauffassung mit der Paul Celans, so findet sich Unterstützung durch ein Zitat aus einem Antwortbrief an eine Schulklasse, die Celan um einen Kommentar zu einem Gedicht gebeten hatte:
Im Gedicht ereignet sich Wirkliches, trägt Wirklichkeit sich zu. Davon ergibt sich für den Lesenden zunächst die Bedingung, das im Gedicht zur Sprache Kommende nicht auf etwas zurückzuführen, das außerhalb des Gedichts steht. Das Gedicht selbst ist sich, sofern es ein wirkliches Gedicht ist, der Fragwürdigkeit seines Beginnens wohl bewußt; an ein Gedicht mit unverrückbaren Vorstellungen heranzugehen, bedeutet also zumindest eine Vorwegnahme dessen, was im Gedicht selbst Gegenstand einer - in keiner Weise süffisanten - Suche ist."(4)
[Herv. M.S.]
Im Gegensatz dazu geht die Mehrzahl der Celan-Philologen von einem Verständnis der Gedichtsprache aus, das diese zumindest auf biographische Weise als sehr real und wirklichkeitsbezogen begreift. Unter Zuhilfenahme von Entstehungskontext, Textgenese, Lebensdaten, Celan'schen Lesespuren und Notizen aus seiner Nachlaßbibliothek und zusätzlichem Fachwissen wird versucht, scheinbar" hermetische Gedichte zu verstehen. Das Aufdecken markierter und nichtmarkierter Zitate und Anspielungen mündet in eine Art biographischen, historischen, literarischen, religiösen und poetologischen Kommentar der Gedichte, der wohlgemerkt nur eine Verständnisbrücke bei der Interpretation darstellen kann.
Nachvollziehbar wird durch einen solchen Ansatz Celans Umgang mit 'Daten': Sie sind für Celan nicht nur die tatsächlichen Entstehungsdaten", das Datum bezeichnet vor allem die ganze Problematik seiner Erfahrung. Celan verwischt dabei die Spuren der anfangs noch 'klaren' und in der Textgenese nachvollziehbaren Gegebenheiten(5)
, schreibt sie fast unkenntlich in das Gedicht ein und führt es dadurch einer Multivalenz und Offenheit zu.
Celans Umgang mit den 'Daten' des Gedichts erläutert Lehmann :
Vermutlich sind jedem Celanschen Gedicht konkrete Daten eingeschrieben - Erlebnis-, Erfahrungs- und Wissensdaten-, die freilich nie an der Oberfläche der Texte erscheinen. Ein solches Nichtpreisgeben der lebensgeschichtlichen, literarischen oder sonstwie gearteten Bezüge bedeutet in der Perspektive des Schreibenden durchaus kein Verschweigen. Nicht die Kenntlichkeit des Erinnerten, sondern dessen Sedimentierung im Wort ist das Ziel der Gestaltung."(6)
[Herv. M.S.]
In der 1960 entstandenen Büchnerpreisrede Meridian(7)
benennt Celan die Möglichkeit eines Gedichts, seiner 'Daten eingedenk' zu bleiben:
Vielleicht darf man sagen, daß jedem Gedicht sein 20. Jänner®
eingeschrieben bleibt? Vielleicht ist das Neue an den Gedichten, die heute
geschrieben werden, gerade die: daß hier am deutlichsten versucht
wird, solcher Daten eingedenk zu bleiben?"(8)
Mit dem '20. Jänner' exemplifiziert Celan genau diesen 'Einschreibevorgang'. In diesem Datum koinzidieren nicht nur die Wannsee-Konferenz, auf der die 'Endlösung der Judenfrage' beschlossen wurde, sondern u.a. auch intertextuelle literarische Bezüge wie der Anfang der Büchnerschen Lenz-Erzählung.(9)
Celan steht mit diesem Verweben von Texten in das Gedicht in poetologischer Nähe zu Ossip Mandelstam, dem er auch den gesamten Gedichtband Die Niemandsrose gewidmet hat. Die Verdichtung von mehreren Bezügen im dichterischen Wort findet ihre Entsprechung in einem Aufsatz Mandelstams:
Jedes Wort ist ein Bündel, und der Sinnstart aus ihm geht
nach verschiedenen Seiten hervor, ohne einem offiziellen Punkt zuzustreben."(10)
Dementsprechend 'gebündelt' vereinigt besonders der dichterische
Text in sich vergangenes und gegenwärtiges sowie eigenes und fremdes
Sprechen; das Aufnehmen und Transformieren fremder Dichtung wird zum dominanten
Konstruktionsfaktor."(11)
Dieser Struktur folgt m.E. auch Celans Begegnung mit Nelly Sachs. So erweist sich die gesamte Niemandsrose, hinsichtlich Sachs' besonders der erste Zyklus, in viel stärkerer Form als die bisherige Lyrik Celans als ein riesiger Fundus an Anspielungen und Zitaten. Das Aneignen, die Verarbeitung auch ihrer Gedichte bzw. Aussagen ist für Celans Gedichte als Entstehungsimpuls und Realisation seiner Gedichte nachzuvollziehen.
Die sich daraus ergebende Begegnung entsteht gerade erst durch das Sich-Beziehen auf etwas, sei es eine Person oder ein Text.
Das Gedicht ist einsam. Es ist einsam und unterwegs. Wer es schreibt,
bleibt ihm mitgegeben. Aber steht das Gedicht nicht gerade dadurch, also
schon hier, in der Begegnung- im Geheimnis der Begegnung?"(12)
Begegnung sucht das Gedicht im Unterwegssein. Insofern ist nach Ivanovic bei der Interpretation auch der Weg und somit auch die Entstehung des Gedichts als immanentes ästhetisches Konzept einzubeziehen. Genese heißt dann nicht 'Gewordensein', sondern 'Bezogensein'; sie muß als eigentliche Qualität des Textes erst erkannt werden."(13)
Wenn Celan vom Geheimnis der Begegnung spricht, so verweist das auf die Tendenz Celans, die äußerlichen Spuren solcher Begegnungen [...] in der endgültigen Erscheinungsform des Gedichts wieder zu verhüllen".(14)
Ivanovic faßt solche Spuren der Initialzündung eines Gedichts als Impuls zusammen. Der jeweilige Impuls für die Entstehung des Gedichts, der ihm jedoch auch bei seiner 'Unkenntlichmachung' eingeschrieben bleibt und die dadurch gewonnene Offenheit beziehungsweise vielfältige semantische Besetzbarkeit des Gedichts veranschaulichen im Licht von Celans Poetik eine dynamische Textkonstitution, die nicht mehr vom Gedicht als einem Resultat ausgehen kann, die diese vielmehr in seiner Bezugnahme beschreiben und erkennen muß."(15)
Celans Gedichte beziehen sich also nicht nur punktuell auf etwas
Fremdes, die Fremdbezogenheit seiner Lyrik ist ihr poetologisches Konzept.
Die referentielle" Position wird zudem durch ein Zitat Celans gestützt, wenn er gegen die Behauptung, seine Lyrik konstituiere sich aus sorgfältig ausgearbeiteten und verschlüsselten Konstrukten, auf dem Realitätsbezug seiner Lyrik besteht.
Glauben Sie mir - jedes Wort ist mit direktem Wirklichkeitsbezug geschrieben. Aber nein, das wollen und wollen sie [die Kritiker] nicht verstehen."(16)
[Herv. T.B.]
In einer Antwort auf eine Umfrage der Librairie Flinker, Paris (GW III, 167/8) betont Celan die ontologische Identität des Gedichts mit dem, der es schreibt"(17)
und wendet sich somit gegen die Existenz des absoluten Gedichts und einer absoluter Sprache, die unabhängig von menschlicher Erfahrung existiert. Das Gedicht ist also nach Celan nicht unabhängig vom Autor zu sehen:
Freilich ist hier [in der deutschen Lyrik] niemals die Sprache selbst,
die Sprache schlechthin am Werk, sondern immer nur ein unter dem besonderen
Neigungswinkel seiner Existenz sprechendes Ich, dem es um Kontur und Orientierung
geht."(18)
Ein Zugang zu Celan, der dessen Gedichte als abgelöst von ihrer Herkunft und ohne Wirklichkeitsbezug begreift, muß m.E. demnach notgedrungen den Gehalt der Gedichte verkürzen.
Obwohl Celan sich mit seinen Aussagen zu widersprechen scheint, rechtfertigt sich der in vorliegender Arbeit praktizierte Interpretationsansatz gerade durch diese gegensätzlichen Positionen. Einerseits gibt Celan eine Anleitung zum Verstehen seiner Gedichte: Lesen Sie! Immerzu lesen, das Verständnis kommt von selbst."(19)
, die sich dafür ausspricht, 'das im Gedicht zur Sprache Kommende nicht auf etwas zurückzuführen, das außerhalb des Gedichts steht'(20)
. Andererseits ergibt sich jedoch die Frage, wieviel Celan dabei an Vorwissen beim Leser voraussetzt. So erscheint die Frage Lehmanns Was muß ich wissen, um zu verstehen?"(21)
umso mehr berechtigt, als sie bei aller Offenheit des Gedichts ein im Sinne Celans falsches Verstehen(22)
womöglich verhindert.(23)
Dieser ungenügenden Aufnahme kann also mittels des Kommentars vorgebeugt werden.
Der Einbezug des Gedichtkommentars darf jedoch nicht heißen, diesen schon als Interpretation zu verwerten oder wie oben angemerkt 'an ein Gedicht mit unverrückbaren Vorstellungen heranzugehen'(24)
. Zudem wäre dies wirklich 'eine Vorwegnahme dessen, was im Gedicht selbst Gegenstand einer [...] Suche ist'.(25)
Dann liefe man nämlich Gefahr, den kommentierenden Elementen die Funktion der Interpretation zu überantworten.(26)
Bei der Interpretation geht es m.E. nicht darum, in einem decodierenden Zurückverfolgen dieser in das Wort eingeschriebenen Daten stehenzubleiben, da dies nur begrenzt zum Verständnis der Gedichte beiträgt. Vielmehr soll sich dem Gedicht mittels der notwendigen Daten in seiner ganzen Bedeutungsvielfalt genähert werden. Um diesen Multivalenzen, aber auch dem Dunkel" der Gedichte Celans gerecht zu werden, ist bei der Interpretation zu bedenken, daß dem Gedicht immer ein gewisser 'Unbestimmtheitsbetrag' bleibt. Der Beruhigung des Textes in einer intentionalen Sinn-Einheit"(27)
im bloßen Sachkommentar steht der Versuch einer Gesamtinterpretation gegenüber, der sich aber durchaus der Ambiguität des Textes bewußt ist.
Die vorliegende Arbeit zieht deshalb die Trennlinie zwischen Kommentar und Interpretation, indem sie zunächst den Kommentar abtrennt, um auf ihn bei der Interpretation insofern zurückzugreifen, als er von Belang für das zu erhellende Verhältnis von Paul Celan und Nelly Sachs ist. Mit diesem Schwerpunkt begründe ich auch das weitestgehende Weglassen detaillierter Aussagen zu Reimschemata und Metrik der Gedichte. Formalanalytische Elemente werden demnach nicht systematisch, sondern nur bei eindeutiger Aussagekraft einbezogen.
Einer Festlegung auf eine einzige richtige Interpretation mit bestimmten Bedeutungen und Aspekten widerspricht nicht zuletzt Celan selbst, wenn er sich gegen den Vorwurf einer bewußten Verschlüsselung seiner Lyrik wendet:
Und was meine angeblichen Verschlüsselungen anbelangt, ich würde
eher sagen: Mehrdeutigkeit ohne Maske, so entspricht sie exakt meinem
Gefühl für Begriffsüberschneidung, Überlappung der
Bezüge. [...] Ich trachte wenigstens Ausschnitte aus der Spektral-Analyse
der Dinge wiederzugeben, sie gleichzeitig in mehreren Aspekten und
Durchdringungen mit anderen Dingen zu zeigen: mit nachbarlichen, nächstfolgenden,
gegenteiligen. Weil ich leider außerstande bin, die Dinge allseitig
zu zeigen."(28)
2 Paul Celan und Nelly Sachs
2.1 Celans Judentum
Paul Celan berichtet über seinen Herkunftsort, die Bukowina, als von der Landschaft, in der ein nicht unbeträchtlicher Teil jener chassidischen Geschichten zu Hause war, die Martin Buber uns allen auf deutsch wiedererzählt hat. [...] es war eine Gegend, in der Menschen und Bücher lebten."(29)
Dem jüdisch-orthodoxen Glauben gegenüber sehr kritisch eingestellt, spürt Celan neben der Begeisterung für jüdische Geschichten schon früh ein Interesse für die deutsche Sprache und Literatur, vornehmlich für Rilke und Kafka.
Das Bewußtsein seiner jüdischen Identität als soziales Schicksal erfährt Celan jedoch auch schon während seiner Schulzeit: Ja, was den Antisemitismus in unserer Schule betrifft, da könnte ich ein 300 Seiten starkes Buch darüber schreiben."(30)
Die Erfahrung vom Außenseiter, durch seine jüdische Identität stigmatisiert, ist für ihn eine Grunderfahrung, die er zeitlebens nicht mehr verlieren sollte.
Eine Klassenfahrt nach Berlin, am Morgen nach der Reichskristallnacht"(31)
, später vor allem die Ermordung seiner Eltern durch die Nazis, seine Erfahrungen im Arbeitslager und Ghetto, die ständige Gegenwart des Todes und der Gewalt - all diese Konfrontationen mit einer fast unbegreiflich grausamen und paradoxen Wirklichkeit zwingen ihn zu einer radikalen Veränderung seiner ästhetischen Kategorien. Der Dichter, der zu Jugendzeiten das aufgeblühte Leben"(32)
zum Gegenstand seiner Lyrik machen wollte, sieht sich nach der Flucht über Bukarest, Wien bis nach Paris einer Realität gegenüber, die ihn durch den Verlust aller Bezugsgrößen wie der Heimat und seiner Familie schutz- und orientierungslos zurückläßt. Sein erstes Jahr in Paris bezeichnet Celan als ein Schatten- und Dunkeljahr [...], das [...] keinen anderen Namen trug als den der Einsamkeit, der Abgeschiedenheit und Verschlossenheit."(33)
Während der Anfangszeit in Paris bekennt sich Celan noch offen zu Jüdischem auch in seiner Lyrik. So berichtet er in einem Brief an seinen jüdischen Freund Alfred Margul-Sperber in Bukarest von einem Zusammentreffen mit Trakl: Und zu mir sprach er so, als wäre ich eben auch einer von ihnen. Was mich besonders freute, war, daß er ganz auf das Jüdische meiner Gedichte einging - Sie wissen, daß mir viel daran liegt."(34)
Äußerst explizit teilt er seiner Cousine mit, daß es
nichts in der Welt gibt, um dessentwillen ein Dichter es aufgibt zu dichten,
auch dann nicht, wenn er ein Jude ist. [...] Vielleicht bin ich einer der
letzten, die das Schicksal der jüdischen Geistigkeit in Europa zuende
leben müssen."(35)
Auf seiner Identitätssuche zwischen 1948 und 1949 beginnt Celan, sich zunehmend von seinem offenen Bekenntnis zum Judentum zu lösen, seine Haltung wird ambivalent. Celan attempted to leave behind the traditions of his Jewish heritage."(36)
Er bricht den Briefwechsel mit den jüdischen Freunden Sperber und Petre Solomon ab, übersetzt während der folgenden Jahre kaum mehr jüdische Autoren.(37)
Gründe hierfür mögen neben der Heirat mit der Katholikin Gisèle Lestrange auch die Angst gewesen sein, aufgrund immer noch bestehender antisemitischer Strömungen in Frankreich als Jude identifiziert zu werden.
Freunde Celans berichten von der poetischen Reaktion:
Aber aus Schutz vor der Welt wurde seine Dichtung hermetisch, wurde
Dichtung für ihn 'ein Verwischen der ursprünglichen Spur'."(38)
Meine Erinnerungen bestätigen [...], wie das Bekenntnishafte in
den Äußerungen Celans zugleich oft zum Ausdruck eines Sich-Verbergens
geriet, wie zwischen Unmittelbarkeit und Dichtung, Gegebenheiten und Erfindungen
nicht zu unterscheiden war. Bei aller Klarheit behielten seine Auskünfte
etwas Undurchdringliches, Vieldeutiges. In zahlreichen Äußerungen
vermittelte er wegweisende Erkenntnisse und verbarg zugleich, wer er selber
war. Seine Kunst bestand darin, sich auszusprechen und sich dennoch zu
entziehen."(39)
Ist Celans hermetische Lyrik also biographisch bedingt?
In einer Art poetologischer Kursbestimmung faßt Celan den Versuch, Richtung zu gewinnen"(40)
zusammen:
Sprich -
Doch scheide das Nein nicht vom Ja.
Gib deinem Spruch auch den Sinn:
gib ihm Schatten.
Gib ihm Schatten genug,
gib ihm so viel,
als du um dich verteilt weißt zwischen
Mittnacht und Mittag und Mittnacht.
Blicke umher:
sieh, wie's lebendig wird rings -
Beim Tode! Lebendig!
Wahr spricht, wer Schatten spricht.(41)
Dieser Schatten" und der Spruch" (seine Lyrik), der das Nein vom Ja" nicht scheidet", korrespondieren mit seinem ambivalenten Verhältnis zum Judentum.
Zwar fühlt Celan sich als Jude, aber zunehmend vor allem auch deshalb, weil er die jüdische Existenz nach dem zum Motto erhobenen Satz Alle Dichter sind Juden"(42)
begreift. Vielmehr ist es die Position des Künstlers als Außenseiter der Gesellschaft"(43)
mit der sich Celan jetzt identifiziert. Auch dort, wo er vom Leiden
der Juden spricht, meinte er gleichzeitig immer den konkret leidenden Menschen.
Conditio judaica als conditio humana."(44)
Bei seinem Besuch in Israel 1969 erklärt Celan im Nachhinein seine für die Pariser Anfangsjahre gültige Position:
Ich glaube Ihnen sagen zu dürfen, daß ich mit einiger Selbstverständlichkeit
Jude bin. Die Fragen nach dem Jüdischen begegnen immer auch dieser
Selbstverständlichkeit. [...] Selbstverständlich hat das Jüdische
einen thematischen Aspekt. Aber ich glaube, daß das Thematische allein
nicht ausreicht, um das Jüdische zu definieren. Jüdisches ist
sozusagen auch eine pneumatische Angelegenheit. [...] Das Jüdische
ist den Dingen, die geschrieben werden von Menschen wie mir, eingesenkt
- von Menschen, die in jüdischer Umgebung groß geworden sind."(45)
Felstiner erklärt mit dem Verweis auf die Gleichsetzbarkeit des griechischen pneuma mit dem hebräischen ruach (Wind", Atem", Geist"): Celan meinte, daß die Menschen in seiner Dichtung nicht nur jüdische Themen erwarten sollen - auch der Geist dieser Dichtung ist jüdisch."(46)
Die erste Strophe von Benedicta aus dem zweiten Zyklus der Niemandsrose
erläutert den Begriff pneuma:
Ge-
trunken hast du,
was von den Vätern mir kam
und von jenseits der Väter:
-- Pneuma."(47)
Das Jüdische ist für Celan zur Entstehungszeit der Niemandsroseeine der Gestalten des Menschlichen, aber immerhin eine Gestalt"(48)
und er warnte davor, seine Gedichte auf das Judentum oder das 'jüdische Schicksal' festlegen zu wollen."(49)
Trotz alledem stellen jüdische Elemente einen wichtigen Bezugsrahmen
seiner Lyrik dar, der dem ästhetischen Diskurs Celans einverleibt
[ist] wie die anderen exponierten Bereiche (etwa Sprache, Liebe, Sexualität,
Natur, Geschichte, Begegnung, Negation)."(50)
Im Laufe der 50er Jahre kommt es abermals zur Wende in Celans Einstellung zu seinen jüdischen Wurzeln. Nach Lyon nimmt Celan durch die Vermittlung der Schriften Gershom Scholems das Lesen der Kabbala auf. Die Wiederaufnahme des Briefwechsels mit Petre Solomon weist außerdem auf ein wachsendes Bewußtsein seiner jüdische Identität und auf seine Bereitschaft, sich dazu zu bekennen."(51)
hin. Ein für ihn prägendes geistiges Verwandtschaftsverhältnis mit dem 'ost-jüdischen' und russischen Dichter Ossip Mandelstam, dessen Gedichte er ab 1958 zu übersetzen beginnt, läßt ihn die bald folgenden Preisreden mit u.a. dessen Gedankengut entwerfen und nicht zuletzt den gesamten Gedichtband Die Niemandsrose an Ossip Mandelstam widmen. Inwieweit seine zunehmende Identifizierung als Jude mit dem Gefühl, als Jude ausgegrenzt zu sein, korreliert, zeigen auch zwei Briefzitate Celans an Solomon vom Sommer 1957 bzw. Frühjahr 1958:
Ab und zu lädt man mich nach Deutschland zu Lesungen. Auch die
Antisemiten haben mich ausfindig gemacht."(52)
Sie wissen ja wohl, wie ich, wie unverständlich Erfahrungen wie
die unseren noch denjenigen bleiben, die bereit sind, sich mit ihnen auseinanderzusetzen:
sie versuchen, oft gegen den eigenen Willen, diesen Erfahrungen gerecht
zu werden, indem sie sie unter dem Aspekt des Exotischen, Peripheren, mehr
oder minder Abwegigen und Abseitigen betrachten. Nicht immer, gewiß,
es gibt Ausnahmen, aber es sind eben - Ausnahmen."(53)
Zusammenfassend erscheint Celans Verhältnis zum Jüdischen
durch die Vielfalt seiner Positionswechsel als höchst ambivalent.
Inwieweit Celan diesem im Anfangszyklus der Niemandsrose Rechnung
trägt, wird bei der Interpretation der Gedichte besonders im Hinblick
auf die Begegnung mit Nelly Sachs die Frage sein.
2.2: Persönliche und religiöse Aspekte in der Beziehung
zwischen Celan und Sachs
In diesem Klima des Unverstandenseins und der Ablehnung lernt Paul Celan die im schwedischen Exil lebende jüdische Schriftstellerin Nelly Sachs kennen. Seit 1954 steht er mit ihr in brieflichem Kontakt. Nelly Sachs teilt Celans biographische Eckpfeiler: Auch sie ist Jüdin deutscher Sprache und lebt als Waise im besonders seit dem Tod ihrer Mutter 1950 'heimatlosen' Exil. Bezeichnend für die Nähe beider Dichter ist ein Brief Celans vom 7. Mai 1960, in dem er ein vollständiges Gedicht von Nelly Sachs zitiert mit den Worten: Von diesem Gedicht her kenne ich sie. [...] Da fand ich Sie. Da fand ich Sie, Nelly Sachs." Die letzte Strophe lautet:
Wir Waisen wir klagen der Welt:
Welt warum hast Du uns die weichen Mütter genommen
Und die Väter, die sagen: Mein Kind, du gleichst mir!
Wir Waisen gleichen niemand mehr auf der Welt!
Welt
Wir klagen dich an!"(54)
Ihr Selbstverständnis als Jüdin ist jedoch ungleich Celans viel offener. Nachdem sie der Tod ihrer Mutter 1950 in eine persönlichen Krise stürzt, beschäftigt sie sich mit dem jüdischen Glauben. Sie lernt die jüdischen Kabbala kennen, insbesondere das Buch Sohar in Gershom Scholems Übersetzung des Kapitels über 'Die Geheimnisse der Schöpfung'.(55)
Dieses Büchlein gab Nelly Sachs nicht nur Trost, sondern diente ihr auch als Quelle zur Welt- und Leidensdeutung in der Dichtung."(56)
Insofern ist auch der hohe Stellenwert der Freundschaft mit Paul Celan zu bewerten. Celan ist für Nelly Sachs ein lange gesuchter Leidensgefährte, sie vergleicht seinen Lyrikband Sprachgitter mit dem Sohar: Ihr 'Buch der Strahlen', Ihr 'Sohar' ist bei mir. Ich lebe darin."(57)
Sie bewundert Celan fast in mystischer Weise:
Paul Celans Buch ist ein Buch der Strahlen. Sein Sohar! Ich schrieb es ihm. Mit den kristallenen Buchstabenengeln den durchsichtigen, so wie sie im Buch des Glanzes und der Geheimnisse versammelt sind. Ich kann mich da nur neigen und fühle mich tief mit Tränen und Staub bedeckt davor."(58)
Sie haben mir mit Ihren Gedichten eine Heimat gegeben, von der ich erst
glaubte, daß der Tod sie mir erobern würde. So halte ich hier
aus."(59)
Die 1954 beginnende und bis zu beider Tod andauernde Korrespondenz erweist sich als ein Schlüssel zu ihrer Seelenverwandtschaft, die durch verbindende und trennende Elemente charakterisiert ist.
Ist das Verhältnis anfangs noch sehr distanziert und höflich, so wird es um so intensiver, je mehr sich Celan antisemitischen Strömungen ausgesetzt sieht.
Die intensivste Zeit ihres brieflichen Austausches reicht vom Ende der 50er bis Anfang der 60er Jahre. Diese Zeit ist für Celan, was seine poetische Produktivität angeht, fast die bedeutendste seines Lebens. Durch Nelly Sachs wird er mit seinem Judentum stärker konfrontiert als je zuvor(60)
, er beschäftigt sich mit russischen Autoren wie Mandelstam oder Jessenin, die poetologisch-programmatischen Preisreden Bremer Rede und der Meridian und der Prosatext Gespräch im Gebirg entstehen. Der Titel seiner Büchnerpreisrede (Der Meridian") deutet auf die Nähe zu Nelly Sachs hin.(61)
1962 erscheint die Niemandsrose, welche diese neuen 'Interessenstendenzen' Celans poetisch einlöst. So verkörpert der erste und in der Zeit des intensiven Kontaktes mit Nelly Sachs entstandene Zyklus der Niemandsrose Celans Auseinandersetzung mit dem Jüdischen.
Zwischen Celan und Sachs kommt es 1960 zu zwei persönlichen Treffen: vom 25. Bis 27.Mai in Zürich und anschließend vom 13. Bis 17.Jui in Paris. Ein drittes Treffen in Stockholm, wohin Celan zwischen dem 1. und 7. September 1960 reist, scheitert am seelischen Zustand von Nelly Sachs.(62)
Der Briefwechsel spiegelt aber auch eine fatale Seite der Seelenverwandtschaft wieder: Die jüdische Identität und die damit verbundenen gesellschaftlichen Sanktionen, bei Celan die zunehmenden Antisemitismus-Erfahrungen, sind immer wieder thematisiert, beide Autoren stützen sich zwar in ihrem Schmerz, verstärken ihre Ängste aber auch gegenseitig. Wir wollen uns weiter einander die Wahrheit hinüberreichen. Zwischen Paris und Stockholm läuft der Meridian des Schmerzes und des Trostes"(63)
, schreibt Nelly Sachs Celan am 28.10.1959. Celan entgegnet in einem Brief, den er später Nelly Sachs vernichten läßt:
Sie haben mir einmal geschrieben, zwischen Stockholm und Paris laufe
der Meridian des Schmerzes. Ich werde mit Ihnen von Schmerzlichem sprechen
müssen, liebe Nelly Sachs: fast täglich fällt die
Infamie der Menschen über mich her. Und kaum einer, der dann zu mir
steht. Man gönnt mir das, gerne. Ich werde Ihnen die Namen der Niederträchtigen
nennen müssen; der Name Alfred Andersch ist einer davon. Ich kann
nicht anders, liebe Nelly Sachs, ich muß es Ihnen sagen. Ich sage
die Wahrheit."(64)
Es ist besonders Celan, der vor allem bis zum ersten Treffen in Zürich wegen der falschen Rezeption seiner Gedichte(65)
, aber auch während der von der Witwe Yvan Golls losgetretene Plagiat-Affaire, die ihn als Dichter zu diskreditieren versucht, regelrechte Verfolgungsängste entwickelt und diese Nelly Sachs anvertraut.
Ach, Sie wissen gar nicht, wie es in Deutschland tatsächlich wieder
aussieht. Sehen Sie - ach, ich weiß, wie sehr ich Sie damit belaste,
aber ich muß es sie wissen lassen - die jüngste meiner Erfahrungen
[...] Und niemand antwortet diesen Burschen! Auch das - das Antworten -
bleibt dem Juden überlassen. Die anderen schreiben Bücher und
Gedichte 'darüber'..."(66)
Zudem befindet sich Celan auch in einer Krise der dichterischen Ausdrucksmöglichkeit, ausgedrückt in eben diesem 1959 erschienenen und am schärfsten kritisierte Lyrikband Sprachgitter: [N]icht nur der Dichter selbst glaubte, ans Ende seiner Kunst gekommen zu sein."(67)
Nelly Sachs spricht zunächst noch davon, Celan zu beschützen:
Ich selbst kämpfe verzweifelt gegen die Mutlosigkeit die einen
überfallen kann nach bitteren Erfahrungen, aber Sie lieber Freund,
mit dessen Werk ich nichts, gar nichts an Reinheit und Durchsicht vergleichen
kann, Sie möchte ich beschützen vor Ihrer eigenen Traurigkeit!"(68)
Sie gerät aber immer tiefer in eben diese Ängste, was nach den beiden Treffen in Zürich und Paris in lange anhaltenden, periodisch wiederkehrenden psychischen Zusammenbrüchen resultiert. In einem Brief vom 25.7.1960 schildert Nelly Sachs ihre fast paranoiden Ängste:
Eine Nazi-Spirirtist-Liga jagt mich so schrecklich raffiniert mit Radiotelegraph,
sie wissen alles, wohin ich den Fuß setzte. Versuchten mit Nervengas
als ich reiste. Schon seit Jahren heimlich in meinem Haus, hören durch
Mikrophon durch Wände [...]"(69)
Jetzt ist es Celan, der versucht, sie zu ermutigen. Fast beschwörend schreibt er ihr am 28.Juli 1960:
Es geht Dir besser - ich weiß. Ich weiß es, weil
ich spür, daß das Böse, das Dich heimsucht - das auch mich
heimsucht -, wieder fort ist, ins Wesenlose zurückgewichen, in das
es gehört; weil ich spür und weiß, daß es nie wiederkommen
kann, daß es sich aufgelöst hat in ein kleines Häuflein
Nichts. So, jetzt bist Du frei, ein für allemal. Und - wenn Du mir
diesen Gedanken erlaubst - ich mit Dir, wir alle mit Dir."(70)
Er erinnert sie an den Hoffnungsschimmer, den beide bei ihrem ersten Treffen und persönlichen Gespräch in Zürich im Hotel zum Storchen und auch beim Besuch von Nelly Sachs in Paris gespürt haben:
Weißt Du noch, wie, als wir ein zweites Mal von Gott sprachen,
in unserm Haus, daß das Deine, das Dich erwartende ist, der goldene
Schimmer auf der Wand stand? Von Dir, von Deiner Nähe her wird solches
sichtbar, es bedarf Deiner, [...] laß uns, [...] die Allerfreiesten
sein, die Mit-Dir-im-Licht-Stehenden!"(71)
Sachs und Celan haben sich also gegenseitig Unterstützung gegeben, deren Ursprung sicherlich auch in ihrer 'gemeinsamen Herkunft', dem Jüdischen liegt. In dieser Hinsicht wurde Sachs für Celan eine der engsten Seelenverwandten, fast eine Art Muttergestalt in seinem Leben.
Obwohl beide bis zu ihrem Tod in Korrespondenz stehen, ebbt die intensivste Phase ihres brieflichen Austausches nach dem Stockholm-Besuch Celans langsam ab. Über Gründe hierfür kann man nur spekulieren. Seine Vereinsamung aufgrund fortwährender Verfolgungsängste und ein daraus resultierendes Schweigen mögen eine Erklärung benennen, Fazit bleibt jedoch: [...] die Beziehung wird rätselhaft, undurchschaubar und endet im Schweigen."(72)
So faßt ein Gedichtausschnitt von Nelly Sachs die Schlußphase
der Freundschaft zusammen:
[...] und dann mein Du
das man gefangen hielt
und das zu retten ich erkoren war
und das in Rätseln ich weiter verlor
bis hartes Schweigen sich auf Schweigen senkte
und eine Liebe ihren Sarg bekam."(73)
2.3 Poetologischer Standpunkt von Celan und Sachs
Paul Celan und Nelly Sachs verbindet auch eine poetologische Nähe: Die Einstellung zu Sprache und Gedicht ähnelt sich zumindest in ihren Grundpositionen. Die jüdisch-deutsche Dichterin und der deutsch-jüdische Dichter"(74)
treffen sich vor allem in ihrer Situation als jüdische Autoren, deren Werk Ausdruck des Überlebenswillens ist. Dabei spielt die Sprache bzw. ein Neues-Sprechen-Können, das aus dem Verstummen als Reaktion auf die furchtbaren Erlebnisse hervorgeht, eine zentrale Rolle.
Unterwirft man die Gedichte von Paul Celan und Nelly Sachs dem Diktum Adornos, daß 'nach Auschwitz Gedichte zu schreiben barbarisch sei' oder in einer Formulierung von Günter Holtz: Kann das unvorstellbar Grauenhafte, das Monströs-Inhumane Gegenstand oder gar Stoff" künstlerischer Gestaltung sein?",(75)
so scheint dies eine nur theoretische Erwägung im Hinblick auf das zu sein, was Nelly Sachs und Paul Celan am eigenen Leib erfahren haben. Abgesehen vom ursprünglichen Kontext des Satzes, in dem er nur als Beispiel für die Ohnmacht der Kulturkritik angesichts der gesellschaftlich bedingten Verdinglichung des Geistes steht"(76)
, ist zu fragen, ob Lyrik per definitionem durch das Verdikt Adornos nicht überhaupt zum Paradigma des Unvereinbaren"(77)
gerät. Insofern deutet Adornos spätere Relativierung seiner Position genau auf jenen Ort, in dem Sachs' und Celans Lyrik ihren Ursprung haben.
Das perennierende Leiden hat soviel Recht auf Ausdruck wie der Gemarterte
zu brüllen; darum mag falsch gewesen sein, nach Auschwitz ließe
sich kein Gedicht mehr schreiben."(78)
So verändert Auschwitz als pars pro toto für alles verbrecherische Geschehene die Wirklichkeitswahrnehmung von Nelly Sachs radikal. Sie selbst spricht von einer Schlucht"(79)
, einer offenen Wunde"(80)
zwischen dem Vorher und Nachher von Auschwitz, der vorherigen Welt und der Welt der Überlebenden. Gegenüber Olof Lagercrantz bekennt sie den Stellenwert ihrer Lyrik:
Die Bilder und Metaphern sind meine Wunden. Der Tod ist mein Lehrmeister
gewesen. Ich schrieb, um überleben zu können."(81)
Mein ganzes Werk ist die einzige Möglichkeit gewesen, für
mich zu überleben."(82)
Für Nelly Sachs ist Sprache insofern etwas existentielles, als sie während eines Verhörs durch Nazis in Berlin für mehrere Tage ihre Sprache durch eine traumatische Kehlkopflähmung verliert:
Fünf Tage lebte ich ohne Sprache unter einem Hexenprozeß. Meine Stimme war zu den Fischen geflohen. Geflohen ohne sich um die übrigen Glieder zu kümmern, die im Salz des Schreckens standen. Die Stimme floh, da sie keine Antwort mehr wußte und 'sagen' verboten war."(83)
Das zentrale Symbol des Verstummens und auch des personifizierten Leidens ist der Fisch als Symbol des leidenden Christus, den sie auch als König des Schmerzes"(84)
bezeichnet.
Als der große Schrecken kam
wurde ich stumm -
Fisch mit der Totenseite
nach oben gekehrt
Luftblasen bezahlten den kämpfenden Atem
Alle Worte Flüchtlinge
in ihre unsterblichen Verstecke
wo die Zeugungskraft ihrer Sterngeburten
buchstabieren muß und die Zeit ihr Wissen verliert
in die Rätsel des Lichts - (85)
Sprache ist für Nelly Sachs etwas Mystisches, Transzendentes, aber auch Wirklichkeitkonstituierendes. Das Zentralthema ihres Werkes ist die Identifikation von Kosmos und Wortsphäre"(86)
, mittels der sie einen Ausweg aus dem Schweigen findet:
Das Wort wird begriffen als spirituelle Schöpfungskompetenz; in
ihm ist annäherungsweise jene entmaterialisierende Verwandlung der
diesseitigen Wirklichkeit in einen transzendenten Raum der Vereinigung
von Geburt und Tod in das unsichtbare Universum" zu leisten. Nelly Sachs
ist - wie sie selbst bezeugt - immer bedacht, das Unsägliche auf eine
transzendente Ebene zu ziehen."(87)
Das Wort bezieht seine 'spirituelle Schöpfungskompetenz' aus der jüdischen Kabbala, die das Weltall und die Welt organisiert weiß nach dem Prinzip der Sprache und der Buchstaben."(88)
Nelly Sachs entwirft ihre Metaphern fast tranceartig, ihr Schreiben
vergleicht sie selbst mit Blutstürzen": Der Tanz war meine Art des
Ausdrucks noch vor dem Wort. Mein innerstes Element. Nur durch die Schwere
des Schicksals, das mich betraf, bin ich von dieser Ausdrucksweise zu einer
anderen gekommen: dem Wort!"(89)
In einer aufschlußreichen Anmerkung zu ihrem szenischen Spiel Beryll sieht in der Nacht oder Das verlorene und wiedergefundene Alphabet faßt sie ihr Verständnis vom Wort als Sinnbild der mystischen Schöpfung zusammen:
Der ewige Kreislauf vom Schöpfungsaugenblick an wird in Natur und
Menschen aus- und eingeatmet. Aus dem Atem wurde der Buchstabe geboren
und wieder entsteht neue Schöpfung aus dem Wort. Dies ist im Buch
des Glanzes - dem Buch Sohar, dem Buch jüdischer Mystik, darin sich
die Mystik der ganzen Welt trifft - eingeschrieben. [...] Das Alphabet
ist das Land, wo der Geist siedelt und der heilige Name blüht. Es
ist die verlorene Welt nach jeder Sintflut. Sie muß vor den Schlafwandelnden
mit Zeichen und Gebärden hereingeholt werden, bis Beryll, der geopferte
Meridian, der die Zeit umschließt und die Verbindung mit den geistigen
Kräften wieder herstellt, das ertrunkene Wort gerettet hat."(90)
'Gerettete Wörter', dem Schweigen abgerungene Sprache stellt für Nelly Sachs einen Kosmos dar, der die Welt beeinflussen kann: hierin liegt ihre Hoffnung, daß Gedichte Erlösung herstellen, Versöhnung bewirken können."(91)
Doch das nach der 'Sintflut wiedererstehende Alphabet' ist auch für Nelly Sachs durch das Geschehene gezeichnet. Obwohl ihre Sprache wesentlich mehr Metaphern aufweist als die Celans, stellt sich auch Nelly Sachs einer ästhetischen Sprache bzw. einer Ästhetisierung von Auschwitz entgegen:
Dieses Dasein wird für mich nicht entgegengenommen, es ist in jeder
Minute gelebt und gestorben worden, eine andere Religion weiß ich
nicht. Um aber solches auszudrücken, verlieren die Worte ihre Kleider
fast, stehen nackt da, nur um zu leuchten. [...] So sieht es wohl bei vielen
aus, die unsere Zeit, die nicht mehr mit einem früheren Zeiten angemessenen
Wortschatz angerührt werden kann, menschlich und dichterisch erlebten."(92)
Ausschlaggebend für die dichterische Entwicklung von Nelly Sachs ist ihre Begegnung mit Texten der Bibel, wie den Büchern Jesaja(93)
und Hiob und vor allem mit Schriften der jüdischen Mystik, hier insbesondere des Chassidismus in der Übersetzung Gershom Scholems.(94)
Später betont Nelly Sachs jedoch ihren höchst eigenen und scheinbar selektiven Zugang zur jüdischen Mystik in einem Brief vom 24.2.1967 an den amerikanischen Germanisten Robert Kahn:
Gewiß bin ich durch die Wälder der Bibel und der Mystik gewandert
und der Atem mag in meinen Dingen wehen, aber meine Sprache ist mit den
Bildern ausgebrochen aus mir selbst und hatte den furchtbaren Anlaß
der Welt dazu."(95)
Diese Schriften hatten sie eine Sprache gelehrt, die das Zeitliche,
Wahn und Schrecken des gegenwärtigen Infernos mit Symbolen des unwandelbar
Dauernden, des sich ewig erneuernden vereinigt - nicht harmonisierend,
sondern zu befremdender Disharmonie."(96)
Nelly Sachs betrachtet ihre Lyrik als Menschheitsgedächtnis -Mythos als alles umspannende Deutung der Leiden, Angst und Hoffnungen".(97)
So formuliert Nelly Sachs ihr poetisches Programm in einem Brief vom 9.1.1958:
Es gibt und gab und ist mit jedem Atemzug in mir der Glaube an die Durchschmerzung,
an die Durchseelung des Staubes als an eine Tätigkeit wozu wir angetreten.
Ich glaube an ein unsichtbares Universum, darin wir unser dunkel Vollbrachtes
einzeichnen. Ich spüre die Energie des Lichtes die den Stein in Musik
aufbrechen läßt, und ich leide an der Pfeilspitze der Sehnsucht
die uns von Anbeginn zu Tode trifft und die uns stößt, außerhalb
zu suchen, dort wo die Unsicherheit zu spüren beginnt. Vom eignen
Volk kam mir die chassidische Mystik zu Hilfe, die eng im Zusammenhang
mit aller Mystik sich ihren Wohnort weit weg von allen Dogmen und Institutionen
immer aufs neue in Geburtswehen schaffen muß."(98)
Im Antwortbrief entgegnet Celan : Viel Herzraum ist verschüttet worden, ja, aber das Erbe der Einsamkeit, von dem sie sprechen: es wird, weil es ihre Worte gibt, angetreten, da und dort, im Nächtigen. Falsche Sterne überfliegen uns - gewiß; aber das Staubkorn durchschmerzt von Ihrer Stimme, beschreibt die unendliche Bahn".(99)
Celan interpretiert die 'Durchseelung des Staubes' als ein 'Erbe der Einsamkeit', als das Vermächtnis einer von 'falschen Sternen überflogenen' und ausgegrenzten jüdischen Dichterexistenz, eine Stimme bzw. Worte, also eine Sprache zu finden, welche das Verstummen durchbrechen kann.
In der Bremer Rede spricht deutlich weniger mystisch auch Celan von der Sprache beziehungsweise Lyrik als einem Vehikel der Weltbewältigung:
Erreichbar, nah und unverloren blieb inmitten der Verluste dies eine:
die Sprache. Sie, die Sprache, blieb unverloren, ja trotz allem. Aber sie
mußte nun hindurchgehen durch ihre eigenen Antwortlosigkeiten, hindurchgehen
durch furchtbares Verstummen, hindurchgehen durch die tausend Finsternisse
todbringender Rede. Sie ging hindurch und gab keine Worte her für
das, was geschah; aber sie ging durch dieses Geschehen. Ging hindurch und
durfte wieder zutage treten 'angereichert von alledem. In dieser Sprache
habe ich, in jenen Jahren und in den Jahren nachher, Gedichte zu schreiben
versucht: um zu sprechen, um mich zu orientieren, um zu erkunden, wo ich
mich befand und wohin es mit mir wollte, um mir Wirklichkeit zu entwerfen.
[...] Es sind die Bemühungen dessen, der überflogen von Sternen,
die Menschenwerk sind, der zeltlos auch in diesem die bisher ungeahnten
Sinne und damit auf das unheimlichste im Freien, mit seinem Dasein zur
Sprache geht, wirklichkeitswund und wirklichkeitssuchend."(100)
'Auf das unheimlichste im Freien' ist Celan konfrontiert mit dem absurden Nichts, in seinem Denken wie in der klanglichen und bildlichen Präsentation der Gedanken in Gedichtform treten Lücken auf", die Celan wie z.T. an der Genese einzelner Gedichte nachzuvollziehen sein wird, selbst einfügt.
Wenn Nelly Sachs in einem Brief an Walter Berendson in Stockholm vom 30.10.1957 schreibt:
Wir fühlen wohl alle, daß es im Grunde nicht um das sichtbare Universum geht - nicht um die Mondreise, die wohl für die nächste Generation schon Wirklichkeit wird - sondern um weit Hintergründigeres, die Landschaft des »Nichts« oder »Gottes«, immerhin dort, wohin sich alles, was auszieht aus Tod, [...] einschreibt"(101)
,
dann korrespondiert ihr lyrischer Schaffensgrund in zumindest einer Hinsicht mit dem Celans. In einer Stelle im Meridian benennt Celan das Wesen der Dichtung im Anschluß an Luciles Es lebe der König!"(102)
:
Gehuldigt wird hier der für die Gegenwart des Menschlichen zeugenden
Majestät des Absurden. Das, meine Damen und Herren, hat keinen ein
für allemal feststehenden Namen, aber ich glaube, es ist ... die Dichtung."(103)
'Wirklichkeitswund' versucht auch Celan, die Wunde lesbar zu machen", Einstiegsluken zur Wahrheit"(104)
zu finden, auch er befindet sich auf der Suche nach einer neuen 'vom Geschehenen angereicherten' Sprache. Der Weg seiner Lyrik, welche die Realität der Unmenschlichkeit in die Sprache der Kunst übersetzt, ohne die Wirklichkeit auszuschalten, zu ästhetisieren oder zu sentimentalisieren"(105)
verläuft im Sinne des Adorno-Verdikts noch radikaler als der von Nelly Sachs. Ausgehend von noch sehr konventionellen Gedichten in seiner Jugend, gekennzeichnet von einem zu leichten und schwungvollen Sprechen, [...] Existenzialkitsch, [...] selbsttätige[r] Melodik"(106)
distanziert er sich, indem er seine Metaphern auf nackte Sprachkerne reduziert und sie mit aller syntaktischen Härte ballt"(107)
und durch ein zunehmend paradoxes Sprechen, das sich immer wieder auf der Suche nach einem Sag-baren befindet. Ein Beispiel für diese Suche ist das Gedicht Kraft und Schmerz:
Und Kraft und Schmerz
und was ich stieß und trieb und hielt:
Hall-Schalt
Jahre,
Fichtenrausch, einmal,
die wildernde Überzeugung,
daß dies anders zu sagen sei als
so."(108)
Der Unzulänglichkeit lyrischer Sprache und deren nur schwer erfaßbaren ästhetischen Wirkung sind sich Nelly Sachs und Paul Celan bewußt. Wenn Nelly Sachs von einem Märtyrersterben der Buchstaben"(109)
ausgeht, so deutet dies vor dem Hintergrund ihrer Sprachauffassung jedoch darauf, daß Buchstaben wie Märtyrer in den Himmel aufsteigen und folglich das in ihnen ausgedrückte Leid transzendiert wird. Bei Paul Celan ist das Sprach-verständnis noch pessimistischer. Ein Wort - du weißt, eine Leiche"(110)
schreibt er in einem frühen Gedicht. Im Gedicht Welchen derSteine
du hebst beschwört er das vergebliche Sprechen.
Welches der Worte du sprichst -
du dankst
dem Verderben."(111)
In Schneepart, einer späten Gedichtsammlung teilt er immer
noch dieselbe Sprachauffassung:
Ein Blatt, baumlos
für Bertolt Brecht:
Was sind das für Zeiten,
wo ein Gespräch
beinah ein Verbrechen ist,
weil es soviel Gesagtes mit einschließt?"(112)
Celans ständige Suche nach neuem sprachlichen Ausdruck deutet auf einen grundsätzlichen Unterschied im poetischen Verfahren zu Nelly Sachs und damit auch auf eine zu differenzierende Interpretationsweise hin. Eine Interpretation, die sich der Parallelstellenmethode bedient, also von einem festen Begriffsvokabular ausgeht, ist, wenn überhaupt, nur bei Nelly Sachs anzuwenden.
Nelly Sachs hat sich mit Hilfe von Bibel, Mystik, Geographie, Mineralogie
etc. einen sprachlichen Kosmos entworfen [...]. Insofern tauchen Worte
und Wortbilder bei ihr immer wieder in ähnlicher oder gleicher Bedeutung
auf. Es ist zwar nicht eine in sich geschlossene, dennoch aber schlüssige
Schöpfung von Sprache, die sie hervorbringt."(113)
Celans Gedichte jedoch können nur mit wechselndem Schlüssel"(114)
erschlossen werden, d.h. jedes Gedicht bedarf eines neuen Interpretationsversuchs des darin verwendeten sprachlichen Bildmaterials.(115)
Jedes Gedicht beziehungsweise jeder Gedichtzyklus bei ihm unternimmt
von neuem den Versuch, das Sprechen selbst fremd zu machen, um im so Fremdgewordenen
einen Weg zum Anderen zu öffnen, zum ganz Anderen vielleicht".(116)
3 Interpretationen
Die anschließend vorgestellten Gedichte Celans sind nach Kriterien ausgewählt, die eine möglichst aussagekräftige Bearbeitung des Themas ermöglichen. Alle drei Gedichte entstammen dem ersten Zyklus der Niemandsrose, zu dessen Entstehungszeit Celan nachweislich den intensivsten Kontakt mit Nelly Sachs hatte. In dieser Phase kam es wie bereits erläutert zu zwei Treffen, in Zürich und Paris, eine dritte Begegnung in Stockholm scheiterte am Gesundheitszustand von Sachs. Die ausgewählten Gedichte sind jeweils kurz nach diesen Anlässen entstanden.
Ein weiteres Auswahlkriterium besteht in der Tatsache, daß die
drei Gedichte die Hauptberührungspunkte der Beziehung zwischen Sachs
und Celan beinhalten: die Auseinandersetzung mit den Erfahrungen des Holocaust
und die auch damit in Verbindung stehende Reflexion der eigenen jüdischen
Wurzeln. Dabei dient beiden ihre Lyrik als Möglichkeit, auf der Suche
nach einer neuen poetischen Sprache dem Verstummen angesichts ihrer Erfahrungen
zu begegnen.
3.1 Zürich, Zum Storchen
Für Nelly Sachs
Vom Zuviel war die Rede, vom
Zuwenig. Vom Du
und Aber-Du, von
der Trübung durch Helles, von
5 Jüdischem, von
deinem Gott.
Da-
von.
Am Tag einer Himmelfahrt, das
10 Münster stand drüben, es kam
mit einigem Gold übers Wasser.
Von deinem Gott war die Rede, ich sprach
gegen ihn, ich
ließ das Herz, das ich hatte,
15 hoffen:
auf
sein höchstes, umröcheltes, sein
haderndes Wort -
Dein Aug sah mir zu, sah hinweg,
20 dein Mund
sprach sich dem Aug zu, ich hörte:
Wir
wissen ja nicht, weißt du,
wir
25 wissen ja nicht, was
gilt.
[GW I: S.214/15]
3.1.1 Textimmanente Interpretation(117)
Zürich, Zum Storchen ist aufgebaut in fünf Strophen mit jeweils unterschiedlicher Länge. Das Gedicht trägt eine persönliche Widmung an Nelly Sachs. Der Titel verweist zunächst auf Zürich, das mit der Apposition Zum Storchen" genauer lokalisiert wird. Die Großschreibung von zum" deutet auf einen Eigennamen hin.
Die erste Strophe beschreibt ein vergangenes Gespräch (es war die Rede"). Es ging darin um ein nicht genauer benanntes Zuviel" und Zuwenig", um ein Du" und Aber-Du" und um die Trübung durch Helles". Diese semantisch eher schwierig zu besetzenden Oppositionen werden durch konkretere Inhalte ergänzt: Es war die Rede" von Jüdischem", von / deinem Gott." Diese stehen am Ende der ersten Strophe an exponierter Stelle, so als ob sie die vorausgegangenen Inhalte zusammenzufassen scheinen.
Zum Resümee des Gesprächsgegenstands kommt es aber erst nach dem Strophenwechsel, wie nach einer Art Innehalten in Zeile 7/8, wenn es heißt: Da- / von." Daraufhin erfolgt in einer dreizeiligen Beschreibung die zeitliche und lokale Situierung des Gesprächs: Am Tag einer Himmelfahrt, das / Münster stand drüben, es kam / mit einigem Gold übers Wasser." (Z. 9-11) Am Himmelfahrtstag scheint sich also ein Münster von der gegenüberliegenden Seite eines Flusses oder Sees zum Standort der Gesprächspartner herüberzuspiegeln.
Strophe drei und vier gehen nun genauer auf das Gespräch ein. Das
deinem Gott" von Zeile sechs wird jetzt wieder aufgenommen und mit dem
lyrischen Ich des Gedichtes verknüpft: Von deinem Gott war die Rede,
ich sprach / gegen ihn, ich / ließ das Herz, das ich hatte / hoffen:
auf sein höchstes, umröcheltes , sein haderndes Wort-" (Z. 12-18).
Durch dieses Hoffen-Lassen wird die Distanz des Ichs zu seinem Herz verdeutlicht,
das Ich scheint seine Hoffnung schon verloren zu haben. So wendet sich
auch das im Gedicht erstmals auftauchende Ich gegen den Gott des Gesprächspartners
(ich sprach / gegen ihn"). Das von Gott erhoffte Wort (sein [...] sein[...]")
bleibt eine Leerstelle, in der das Wort durch den Gedankenstrich als fehlend
markiert ist (Z. 18). Gottes höchstes" Wort wird zudem deutlich negativ
konnotiert mit den Attributen umröchelt" und hadernd", beides Eigenschaften,
welche die Opposition des Gottesverhältnisses zu dem des angesprochenen
Du" verschärfen. Bezeichnenderweise markiert Zeile 13 gegen ihn, ich"
die formale Mitte des Gedichts, gleichbedeutend mit dem zentralen Dissens
des Gesprächs, einer unterschiedlichen Gottesauffassung.
Die vorletzte Strophe zeigt zunächst die Reaktion des Gegenübers: Dein Aug sah mir zu, sah hinweg, / dein Mund / sprach sich dem Aug zu," (Z.19-21). Diese in einer temporalen Abfolge geschilderten Bewegungen des Du" bestimmen dessen Unsicherheit: Das Hinwegsehen des Auges entspricht dem des Mundes (der sich dem Aug zuspricht). Daraufhin wird die Reaktion des lyrischen Ichs beschrieben: ich hörte".
Die auch hier fortgeführte Unterscheidung von Ich" und Du" wird scheinbar im Wir" des nächsten Strophenbeginns aufgehoben: Wir / wissen ja nicht, weißt du, wir / wissen ja nicht, was /gilt.". Versteht man in diesem Zusammenhang das weißt du" (Z.23) als rhetorische Frage, worauf auch der Doppelpunkt hinweist, so ist die letzte Strophe als wörtliche Rede zu verstehen, sie erscheint als ein Ausspruch vom Gegenüber des nur 'hörenden' lyrischen Ichs (Z.21). Die emphatische Wiederholung des Wir / wissen ja nicht", beide Male ist Wir" das einzige Wort der Zeile, synthetisiert dann eben nicht die vorher beschriebene Opposition von Ich" und Du". Der Dissens bezüglich Gott löst sich nicht in einem gegenseitigen Einverständnis, 'nicht zu wissen was gilt', die vorangegangene Meinungsverschiedenheit wird somit nicht relativiert. In diesem Licht ist die gesamte letzte Strophe also nicht als gemeinsames Fazit des lyrischen Ichs und seines Gegenübers, sondern nur des Gesprächspartners zu verstehen.
Zürich, Zum Storchen thematisiert in diesem Sinne ein Glaubensgespräch,
in dem Ich" und Du" keine Annäherung finden.
3.1.2 Gedichtkommentar
Im folgenden soll ein möglichst vollständiger Kommentar des Gedichts als Wissenshintergrund für die Interpretation des Gedichtes dargestellt werden.(118)
Damit wird im Gegensatz zur textimmanenten Interpretation der Referentialitätshorizont erweitert. Einbezogen werden: die Biographie Celans, der Entstehungskontext des Gedichts, das Wissen um die Textgenese und die darin nachvollziehbaren Vorstufen des Gedichtes(119)
, das Gesamtwerk Celans, hier besonders der Gedichtband Die Niemandsrose als auch Bezüge literarischer sowie sonstiger Art.
Paul Celan trifft Nelly Sachs zum ersten Mal in Zürich am 26. Mai 1960, dem Himmelfahrtstag. Anlaß für dieses Treffen war der Nelly Sachs verliehene Anette-von-Droste-Hülshoff-Preis durch die Stadt Meersburg am Bodensee. Nelly Sachs wählt, von Stockholm kommend Zürich als Reiseziel und dort das Hotel Zum Storchen", um nicht in Deutschland übernachten zu müssen und setzt zur Preisverleihung über den Bodensee und die im Wasser verborgene Grenze."(120)
Das Verhältnis zu Celan ist von Anfang an sehr herzlich. Nelly Sachs schreibt an Freunde in Schweden:
[...] ein Märchen hier. Am Flughafen die Familie Celan aus Paris,
der kleine Sohn [Eric] mit einem Riesenstrauß Rosen, Ingeborg Bachmann,
Dr. Hilty. So ergreifend, alle schlossen mich in die Arme, unvergeßlich.
[...]"(121)
Celan notiert über das Treffen in sein Notizbuch folgenden Eintrag:(122)
Gemeinsamer Zürich-Aufenthalt:
25 mai: Nelly Sachs, Zürich I, Hotel, Zum Storchen,
Weinplatz 2
7 h Zürich (Selbdritt)
9 h 40 (+Ingeborg(123)
+ Hilty)
Nelly Sachs Hotel, Abendessen Kronenhalle
(Ingeborg, Nelly, Frau Lennartsson) Max
Frisch - Gespräch vor dem Hotel
Mittwoch: Das mir und Ingb. angetragene
Du...
Das Gedicht: »Du ... mit dem Verlernen der
Welt Beschäftigter«
26 mai: Hotel zum Storchen
4 h Nelly Sachs, allein. »Ich bin ja gläubig«. Als
ich darauf sage, ich hoffte, bis zuletzt lästern
zu können: »Man weiß ja nicht, was gilt.«
27 mai: 10 h Nelly Sachs zum Bahnhof begleitet"(124)
Celans Tagebuchnotiz vom 26. Mai umreißt den Ort und Zeitpunkt Gesprächs: um vier Uhr nachmittags treffen sich Nelly Sachs und Paul Celan unter vier Augen im Hotel zum Storchen. Auch die Hauptaussagen ihres Gesprächs benennt Celan: das Gläubigsein von Nelly Sachs, die ihm tags zuvor das Du" angetragen hat und sein Widersprechen, in dem er seine Hoffnung ausdrückt, bis zuletzt lästern zu können", das durch das Fazit von Sachs abgeschlossen wird: Man weiß ja nicht, was gilt."
Doch sind auch literarische Bezüge der ersten Niederschrift von Zürich, Zum Storchen", die Celan, wieder zurück in Paris, auf den 30.Mai 1960 datiert,(125)
erkennbar. Das Zuviel" und Zuwenig" der ersten Strophe des Gedichts erinnern stark an das Buch Margarete Susmans Das Buch Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes(126)
. Darin heißt es in der Einleitung zum Geschehen des Holocaust, den Folgen für die Sprache und zur Figur des Hiob:
Wohl ist diesem Geschehen gegenüber jedes Wort ein Zuwenig und ein Zuviel; seine Wahrheit ist allein der Schrei aus den wortlosen Tiefen der menschlichen Existenz. [...] Es ist darum das Buch Hiob, aus dem der Versuch einer Deutung dieses Geschehens unternommen wird."(127)
[Herv. M.S.]
Das Zuviel" und Zuwenig" (Z.1/2), von dem in der ersten Strophe in Zürich, Zum Storchen die Rede ist, wird durch Susmans Textstelle mit dem Bereich der Sprache, des dichterischen Wortes konnotiert.(128)
Im Gedicht läßt Celan diese Bezugsgröße weg. Die erste Strophe verweist außerdem auf die Nähe zum jiddischen Kinderlied Dudele, in dem es heißt Du, du [...] wieder du, aber du".(129)
Letzteres wird durch Celans oftmalige Verwendung von aber" im Sinne von wieder" (z.B. in abermals") untermauert.
Im Gedicht folgt die lokale Situierung des Gesprächs, das / Münster stand drüben, es kam / mit einigem Gold übers Wasser." Die topographische Beschreibung des über der Limmat gelegenen Münsters(130)
, das Celan mit Nelly Sachs am Tag einer Himmelfahrt" (Z.9) sieht,
verweist auf explizit christliche Motive. Celan scheint sich durch die
Gold-Metaphorik aber auch auf ein Gedicht zu beziehen, das in seiner Frühphase
entstanden ist.(131)
Sternenlied(132)
Nichts kann, das sich im Mondschein noch begibt,
je sein wie damals, als der große Wagen
uns tönend aufnahm. Keinen den er liebt,
wird er, wie einst uns zwei, begeistert tragen,
5 daß laut die Leier aufklingt, wenn sein Rad
durch Fernen hinrollt; daß die unsichtbaren
Gestirne aufblühn, wenn er strahlend naht,
und staunen, daß hier andre also fahren;
und sich das Schwanenlied dort oben, bang
10 vor eignem Tod, bekennt zu fremden Leben;
und Gold, das von der Himmelswaage sank,
von Schwingen träumt um neben uns zu schweben;
und in den Wäldern, wo die Welt beginnt,
der Bogenschütze schweift, an uns vorbei,
15 und seine Pfeile fächeln Frühlingswind
den Hirschen mit dem knospenden Geweih ...
Uns kann im Mondschein keiner gleichen seit
die Pracht dort oben unser eigen war.
Mein Herz strahlt wild vom herrlichen Bescheid.
20 Dein Haar vom Glanz aus Berenikes Haar.
[Herv. M.S.]
Celan beschreibt im Gedicht Sternenlied ein gemeinsames Erlebnis mit seiner ersten und 'vergeblichen' Liebe Ruth Lackner.(133)
Dort wird das vom Himmel scheinende Licht des 'Großen Wagens' als Gold, das von der Himmelswaage sank" (Z.11) bezeichnet. Ruth Lackner wurde von Celan später als 'Schwester' betrachtet, eine Konstellation, die durch das Bruder-Schwester-Verhältnis von Celan und Sachs auch in Zürich, Zum Storchen wieder aufgenommen wird.(134)
Auf das 'Licht bzw. Gold von Zürich'(135)
kommt Celan ebenso wie Nelly Sachs im Briefwechsel als ein ermutigendes Motiv zurück:
Paul, lieber Paul, Deine Gedichte atmen bei mir Tag und Nacht, sie
teilen also mein Leben. [...] Wie oft bin ich im Geiste bei Euch, und dann
das Gold über dem Wasser und in Deinem Zimmer."(136)
Meine liebe, gute Nelly, [...]
Weißt Du noch, wie , als wir ein zweites Mal über Gott sprachen, in unserm Haus, das das Deine, das Dich erwartende ist, der goldene Schimmer auf der Wand stand?"(137)
[Herv. M.S.]
Meine liebe Nelly,
es war so gut Deinen Brief in Händen zu halten und von Dir selbst
an das Licht erinnert zu werden, das in Zürich überm Wasser und
dann in Paris aufschien. Einmal, in einem Gedicht, kam mir, über das
Hebräische, auch ein Name dafür."(138)
Bei Nelly Sachs heißt es im mit dem kommentierten Datum Am 11. April 1961 / In der Trauer" versehenen Gedicht Überall Jerusalem:
Da
in der Krankheit
gegoren zur Hellsicht
die Prophetin mit dem Stab stößt
auf den Reichtum der Seele
Da ist in der Irre Gold versteckt -(139)
[Herv. M.S.]
In der dritten Strophe von Zürich, Zum Storchen wird ein zudem konkreter Bezug zum Buch Susmans und demzufolge auch zu Hiob geschaffen: Das Ich ließ sein Herz auf ein haderndes Wort-" hoffen.(140)
Und der Herr antwortete Hiob und sprach: Will mit dem Allmächtigen rechten der Haderer? Wer Gott tadelt, soll's der nicht antworten?"(141)
[Herv. M.S.]. Korrespondiert bei Celan Gottes Hadern mit dem Hadern Hiobs, also eines Menschen?
Ein weiterer Bezug zur dritten Strophe besteht in der Nähe zum biblischen Psalm 130:
Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir:
Herr, höre meine Stimme!
[...]
Ich hoffe auf den Herrn, es hofft meine Seele,
ich warte voll Vertrauen auf sein Wort."(142)
Dieses höchste", umröchelte" und hadernde" Psalmwort, Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Psalm 22,2) stellt nach Stadler einen Verwies auf Nelly Sachs dar, insofern gerade dieser Psalm Teil ihres weltanschaulichen Bekenntnisses"(143)
war.
Die dritte Strophe von Zürich, Zum Storchen ist als Angelpunkt
des Gedichts auch mit der letzten verknüpft. Der Spannung zwischen
Hoffen und Wissen ist auch hier der Verweis auf Susmans Hiob-Buch unterlegt,
dessen Schlußteil den Titel Die Hoffnung" trägt:(144)
Und darum bleibt gerade der heutigen an ihrem eigenen Wissen gescheiterten
Menschheit allein die Demut des Fragers aus Abgrund und Chaos, der sein
ganzes eigenes Wissen vor der Erfahrung eines nicht mehr Wissbaren zerbricht
[...]"(145)
Die Sachs'sche Entgegnung des Nicht-Wissens (siehe Celan-Notiz) steht
in Kontrast zu einer Widmung, die sie in einen der während des Gesprächs
in Zürich Celan geschenkten Lyrikbände für ihn eingetragen
hat:(146)
n
n Sternverdunkelung
n Wer weiß welche magischen Handlungen
n sich in den unsichtbaren Räumen vollziehen?(147)
n
n Es gilt Paul es gilt
n nur vielleicht anders als wir glauben Nelly
n Zürich den 26.5.60"(148)
n
n Zudem enthält auch die von Nelly Sachs in Meersburg gehaltene Rede einen Bezug zum 'Vier-Augengesprächs' mit Celan, in dem der Satz: Wir wissen ja nicht, was gilt", gefallen ist.
n [...] Wir sind alle Betroffene [...] auf Erden zu leben [...] bis er /dieser Stern =Erde/ durchsichtig wird, von unserem gesagten und ungesagten Wort durchzogen - dieser Geheimschrift, mit der wir ein unsichtbares Universum lesbar machen für ein göttliches Auge. Alles gilt. Alles ist Ferment das wirkt. Und wir - von Irrtum rauchend - versuchen ob gut ob schlecht - wir versuchen wieder und wieder [...]"(149)
[Herv. M.S.]
a) Mit der letzten Strophe von Zürich, Zum Storchen scheint Celan letztlich nicht nur den Ausspruch von Nelly Sachs, sondern als eine Art Gegenpol zu ihr, auch die Schlußsätze von Susmans Hiob-Buch mit einzubeziehen:
Wir, die so unendlich viel, die viel zu viel wissen, wir wissen nichts.
Wir wissen nichts von dem, worauf es für uns allein ankommt: von dem
Plan, in dem wir befasst sind und aus dem wir leben. Aber darum wissen
wir auch nicht, ob nicht diese unsre dunkle, ganz von der Erlösung
abgetriebene Welt der Erlösung am nächsten ist."(150)
Um in der dritten Strophe das Zusammenspiel von Ich, Hiob und Gott besser verstehen zu können, ist es abschließend erforderlich, Celans Gottesbild in den Kommentar einzubeziehen.
Die kurz erläuterte Gleichstellung von Gott und Hiob im Hadern" scheint zunächst unverständlich, wird aber nachvollziehbar im Kontext der Niemandsrose. Celans Gottesbild ist durch seine persönlichen Erfahrungen während des Holocaust derart pervertiert, daß er Gottes Existenz 'nach Auschwitz' nicht nur bezweifelt, sondern negiert. Nach Lehmann thematisiert Celan diese 'Gottesferne' und die Position des Menschen in der Welt in der Niemandsrose: "Daseinsentwurf wird die Niemandsrose in Gestalt einer Kosmogonie."(151)
Janz sieht Celans Niemandsrose sogar als Anti-Bibel" bzw. als eine Revision der Heilsgeschichte":(152)
b) Der Band beginnt mit einem Gedicht, das [...] von der Erschaffung
des Menschen aus einem Erdkloß handelt, und er endet mit der Feststellung,
daß nach Auschwitz Erlösung zu spät komme, ja in ihr Gegenteil
sich verkehre; daß die Götter über den Leichenbergen der
Vernichtungslager klumpfüßig wie Satan oder Goebbels erscheinen."(153)
Zentral für die Namensgebung der Niemandsrose und für das Gottesverständnis Celans auch in Zürich, Zum Storchen, ist das Gedicht Psalm.(154)
Hier wird festgestellt, daß Gott und Mensch wenn auch ex negativo in ihrem Wesen gleich sind.(155)
Den Menschen werden gottähnliche Attribute beigemessen (waren
wir, sind wir, werden / wir bleiben"), allerdings gleichen sie dem, durch
seine 'Abwesenheit' während des Holocaust zu einem Niemand" gewordenen
Gott in ihrem Nichts"-sein bzw. in ihrer dehumanisierten Gestalt: Ihre
Nichtigkeit und die des Niemand" synthetisieren sich im Licht des Christussymbols
der Rose als die Niemandsrose".(156)
Psalm
Niemand knetet uns wieder aus Erde und Lehm,
niemand bespricht unsern Staub.
Niemand.
Gelobt seist du, Niemand.
Dir zulieb wollen
wir blühn.
Dir
entgegen.
Ein Nichts
waren wir, sind wir, werden
wir bleiben, blühend:
die Nichts-, die
Niemandsrose.
Mit
dem Griffel seelenhell,
dem Staubfaden himmelswüst,
der Krone rot
vom Purpurwort, das wir sangen
über, o über
dem Dorn.(157)
Celan stellt sich mit der Vorstellung von Gott als einem Nichts jedoch auch in eine mystische Tradition. Seine geistige Herkunft beschreibt er als die Landschaft, in der ein nicht unbeträchtlicher Teil jener chassidischen Geschichten zu Hause war, die Martin Buber uns allen auf deutsch wiedererzählt hat [...]"(158)
Als Ausprägung jüdischer Mystik beinhaltet der Chassidismus u.a. die Theophanie des Nichts".(159)
Gott selber wird als das mystische Nichts bezeichnet"(160)
, das die ganze Welt erfüllt und aus dem alle Dinge entstehen.(161)
Celan als jedoch nihilistischer Mystiker"(162)
dürfte auch dem in Scholems Aufsatz über Religiösität und Mystik gezeichneten Mystiker nahestehen:
Es ist diese Perspektive, zerstörerisch, aber doch dem ursprünglichen
Antrieb des Mystikers nicht unverwandt, die uns den Grenzfall des nihilistischen
Mystikers als den eines nur allzu legitimen, wenn auch von jedermann mit
Schaudern abgelehnten Erben mystischer Erschütterung verstehen läßt.
Alle anderen Mystiker machen den Weg in die Form zurück, der auch
der Weg in die Gemeinschaft ist; er allein, der den Abbau aller Gestalt
als höchsten Wert erfahren hat, sucht ihn in undialektischem Geist
zu bewahren, statt ihn wie die anderen Mystiker als Antrieb zum Aufbau
neuer Gestalt zu nehmen. Hier scheint dann die Vernichtung aller religiösen
Autorität im Namen der Autorität selbst als die reinste Darstellung
des revolutionären Aspekts der Mystik."(163)
[Herv. M.S.]
3.1.3 Versuch einer Gesamtinterpretation
Die Interpretation des Gedichts konzentriert sich auf zwei Argumentationskomplexe, die miteinander verschränkt sind: Celans religiöse und poetologische Antwort auf Nelly Sachs. Die Gottesfrage nach Auschwitz ist ebenso wie die Frage poetischen Sprechens nach dem Holocaust dem Gedicht 'eingeschrieben'.
Das Gedicht evoziert zunächst eine Gesprächssituation, die für Celan ungewöhnlich 'klar verständlich' ist. Die Bewegung der Personalpronomen vom Du" (deinem Gott"), über das Ich" (ich sprach") bis hin zum Wir" der letzten Strophe scheint ein im Einverständnis endendes Gespräch nachzuzeichnen. Angesichts der zentralen Aussage Von deinem Gott war die Rede, ich sprach / gegen ihn [...]" klingt die 'synthetische' Schlußstrophe jedoch seltsam distanziert. Eine Schlüsselposition nimmt das von einem Doppelpunkt gefolgte ich hörte" ein, das die letzte Strophe auch ohne Vorwissen als Zitat kennzeichnet. Das Weglassen der Anführungszeichen nach der ersten Textfassung unterstreicht Celans Bemühen, dem Gesprächszitat einen neuen Kontext zu verleihen, es poetisch zu transformieren. Als eindeutig dem Du" in den 'Mund gelegtes' Zitat durchbricht es jedoch die pronominale Kette, deren Auflösung schon in der ein Nebeneinander und eben keine Synthese andeutenden, vorangehenden Strophe angekündigt wird: Dein Aug sah mir zu, sah hinweg, / dein Mund / sprach sich dem Aug zu, ich hörte:". Diese Beziehungslosigkeit"(164)
kommentiert auch Wertheimer:
Obwohl ein Gespräch - mit Nelly Sachs - memoriert wird, ein
Gespräch über ihren und seinen Gott, über Hiob, kommt es
zu keiner Verständigung, die beiden Positionen scheinen minimal und
zugleich jedoch prinzipiell voneinander abzuweichen. [...] Offen, elliptisch,
geltungs- und bedeutungslos endet dieses Gespräch miteinander, nebeneinander
und dennoch nicht vollständig aneinander vorbei."(165)
Das von Nelly Sachs intendierte Wir", ursprünglich ein Versuch des Formulierens einer gemeinsamen Position, weist Celan zurück: direkt durch die Setzung im Gedichtkontext (als Aussage des 'Dus' und nicht des 'Ichs'), indirekt, indem er den Ausspruch von Nelly Sachs mit einem gerade die Erlösung anzweifelnden Gedanken von Margarete Susman unterlegt. Celan erreicht dadurch eine Negationsstruktur und ein Zwiegespräch, das auch für andere Bezüge auf Nelly Sachs gültig ist.
Die im Briefwechsel angedeutete Differenz in Glaubens- bzw. Gottesvorstellungen integriert Celan in das Gedicht zudem mittels der Konstellation 'Ich-Hiob-Gott'. Die zentrale dritte Strophe beschreibt den Nicht-Dialog des Ichs" mit Gott. Das Ineinssetzen von Gott " (auf / sein höchstes, umröcheltes, sein /haderndes Wort -) mit dem hadernden Hiob und dessen Gleichsetzung mit dem Ich" führt die im Gespräch mit Nelly Sachs thematisierten jüdischen bzw. christlichen Weltvorstellungen ad absurdum. In Verbindung mit der bereits angesprochenen und im Gedicht Psalm formulierten Unfähigkeit Gottes, den Menschen mit Sprache zu begaben, faßt Buber die Celan und Sachs scheidende Position zusammen:
Der Schöpfungsakt Gottes ist Sprache; aber auch jeder gelebte
Augenblick ist es. Die Welt wird dem sie wahrnehmenden Menschen zugesprochen,
und das Leben des Menschen selbst ist ein Zwiegespräch. Was ihm widerfährt,
sind die großen und kleinen, unübertragbaren aber unverkennbaren
Zeichen einer Anrede: was er tut oder läßt kann Antwort oder
Versagen der Antwort sein. Und so ist die ganze Geschichte der Welt, die
heimliche, wirkliche Weltgeschichte, ein Dialog zwischen Gott und seiner
Kreatur [...]."(166)
Das dialogische Gottverhältnis des jüdischen Menschen"(167)
, wird von Celan durch seine Negation Gottes in eine Sprechweise transformiert, die antikommunikativ"(168)
ist. Damit wäre nicht nur der Dialog mit Gott, sondern auch der mit einem im Du" kristallisierten Menschen in der Auflösung begriffen. Das Hoffen auf ein Wort Gottes erfährt durch Celan als 'nihilistischem Mystiker' folglich eine andere als durch Buber genannte Erlösung. Vor diesem Hintergrund läßt sich die dritte Strophe aus Zürich, Zum Storchen verstehen. Analog zu dem geröchelten" Wort Christi am Kreuz: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (Psalm 22,2), hadert das Ich" mit dem nicht antwortenden Gott und hofft aber gerade auf das Wort, das Ausdruck der vollständigen Gottverlassenheit"(169)
ist. Celan hofft also auf jenes Nichts, um von ihm zu einer neuen Gottesnähe zu gelangen"(170)
: 'auf die Vernichtung aller religiösen Autorität im Namen der Autorität selbst.'
Die daraus hervorgehende 'Utopie' formuliert Janz:
Ein einziges Mal soll sich der göttliche Logos den Menschen
kundtun: als Wort, das ihre Verwerfung ausspricht. Dieses Wort wäre
umröchelt"; es wäre eine Wort, in dem der Odem Gottes sich gleichsam
in sich selbst zurücknimmt und erlischt. Mit diesem Wort wäre
Gott tot. Auf es zu hoffen aber heißt, darauf zu hoffen, daß
eine Menschheit, die ihrer Gottferne, der Entfremdung von ihrem eigenen
humanen Wesen, bewußt wäre, anfangen würde, ihre Himmelfahrt",
die Aufhebung ihrer Leidensgeschichte und die Apotheose ihrer selbst zu
betreiben."(171)
Wenn also das Ich" in Zürich, Zum Storchen das Hoffen auf Gottes Wort aufgegeben hat, dann widerspricht es der zitierten Hiob-Geschichte, in der Hiob nach allen persönlichen Verlusten und Zweifeln doch wieder zum Glauben an Gott zurückkehrt. Insofern wäre die Gesamtstruktur der Niemandsrose, das Negierte als Voraussetzung eines neu zu gewinnenden zu verstehen(172)
, als 'Folie' der Pervertierung auch dieses Hiob-Zitats.
Für Nelly Sachs scheinen die Aussagen des Buber-Zitats jedoch einer Quelle ihrer wesentlich positiveren Gottesvorstellung zu entsprechen. Obwohl der Mensch sich im Zwiegespräch mit Gott befindet, hört er nie auf, das menschliche Leiden auf Gott gerichtet zu ertragen. Im Brief an Rudolf Peyer vom 5.10.59 übernimmt sie wesentliche Motive des Buber-Zitats als ihre eigene Position:
Zwiegespräch - alles ist Zwiegespräch
Aber Du - wer bist Du -.
Abgewandt warte ich auf dich
weit fort von den Lebenden weilst du oder nahe- [...] - ich atme
das Du in jedem Augenblick - in jedem Augenblick - und wenn ich es wage,
es in Buchstaben zu hüllen, so steht es überall."(173)
n Wenn Celan in Zürich, Zum Storchen das Ich" vergeblich auf ein 'umröcheltes Wort' Gottes 'hat hoffen lassen', so markiert ein zwei Jahre früher erschienenes Gedicht von Nelly Sachs genau diesen existenziellen Unterschied in der Gottesvorstellung, die für Sachs in ihrem Gläubigsein der Ausgangspunkt ihrer Utopie einer Erlösung ist.(174)
In einem Ausschnitt heißt es:
n Röchelnde Umwege -
n in der Kehle reißt sich die Welt in Stücke für
Gott"(175)
n
n
n 'In der Kehle', also mittels Worten, und auf 'röchelnden Umwegen'', also vor Irrtum rauchend'(176)
und in zweifelnder Geisteshaltung: Nelly Sachs drängt dennoch auf Erlösung, auf eine Transzendierung des Leidens hin zu Gott, auf ein 'Durchsichtig-Machen dieses Sterns für ein göttliches Auge'(177)
.
n [F]ür Nelly Sachs [...] ist Gott so existent, daß der
mystische Prozeß in Ausrichtung auf ihn dargestellt wird."(178)
n Alles gilt. Alles ist Ferment das wirkt. Und wir - von Irrtum rauchend
- versuchen ob gut ob schlecht - wir versuchen wieder und wieder [...]"(179)
n
n Die Aussage von Nelly Sachs, daß etwas gilt, daß etwas
wirkt, gehört zu der Vorstellung, daß alles, was Menschen tun,
eine Funktion hat."(180)
Diesem 'Alles gilt' setzt Celan in Zürich, Zum Storchen nicht einfach nur das in seinen Zürich-Notizen aufgeführte Gegenzitat von Nelly Sachs: Wir wissen ja nicht, was gilt." entgegen, er transformiert es im Gedicht zu einem sich wiederholenden, unsicheren und geradezu stammelnden Ausspruch, der mit dem sich versichernden weißt du" zudem die Bewegung des Du" von einer sicheren Gottesvorstellung (deinem Gott") hin zu einem unsicheren Nicht-Wissen reflektiert. Der Umschlagpunkt scheint Celans Gegenrede zu sein (ich sprach / gegen ihn"), die zentrale Strophe des Gedichts.
Das in die Schlußstrophe 'eingeschriebene' Susman-Zitat markiert zudem Celans Opposition zu Nelly Sachs:
Ist Celans Schlußstrophe eine Erwiderung auf die Vorstellung
kosmischer Harmonie, die in Nelly Sachs' Sätzen laut wird, ein Unterstreichen
der radikalen Skepsis von Margarete Susman, daß wir nichts wissen"?"(181)
Auch wenn Sparr dieses Nicht-Wissen des Gedichtes als Thema und Realisation postuliert,
[d] iese Frage läßt sich nicht eindeutig beantworten, weil das Nicht-Wissen den Leser einbezieht: Daß wir nicht wissen, was /gilt", ist dem Gedicht nicht nur Thema, sondern Prinzip seiner poetischen Realisation"(182)
,
so bleibt zu hinterfragen, ob mit der doch sehr naheliegenden Distanzierung
des Ichs" vom Wir" der letzten Strophe nicht gerade diese Glaubens-Skepsis
bzw. Opposition Thema des Gedichtes ist. Der Gedichtkommentar stellt ja
gerade die grundverschiedenen Vorstellungen im Glauben fest, das Streben
nach dem 'Nichts', nach absoluter Negation bei Celan und den durch eine
mit kabbalistischen Vorstellungen vom Wort verquickten Zuversichtsglauben
von Nelly Sachs. Nelly Sachs kommt beim Versuch, das Grauen zu beschreiben,
die Mystik zur Hilfe, während Celans Umgang mit der Tradition, mit
den Mythen und Tröstungen der jüdischen wie christlichen Religion,
[...] eine durchgehende Perversion [verzeichnet]."(183)
Diese Auseinandersetzung im Religiösen führt aber auch noch zu einer anderen Zwiesprache, ein Terminus, der für das Verhältnis von Celan und Sachs eine Schlüsselposition in sich birgt. Konzentriert man sich auf das in Zürich, Zum Storchen beschriebene Ich-Du-Wir-Verhältnis und die bereits erläuterte Auflösung dieser pronominalen Kette, so erkennt man darin schon die ersten 'Vorboten' von Celans im Lauf der Niemandsrose stark zunehmenden sprachlichen Auflösungstendenzen. Die sich aus dem Glauben speisende gläubige Wortsicherheit"(184)
von Nelly Sachs unterscheidet sich auch in dieser poetologischen Hinsicht von Celan. Nelly Sachs scheint optimistischer, redet von Beginn an ein imaginäres oder imaginiertes Du an, scheint ihre Rede auf etwas zu beziehen."(185)
Celan widerspricht diesem Optimismus und darin auch dem, den sie beide rezipiert haben: Martin Buber. Im ersten Kapitel von Das dialogische Prinzip, das Ich und Du" betitelt ist, heißt es:
Gott umfaßt das All, und ist es nicht, so aber auch umfaßt Gott mein Selbst, und ist es nicht. Um dieses Unbesprechbaren willen kann ich in meiner Sprache, wie jegliches in seiner, Du sagen; um dieses Willen gibt es Ich und Du, gibt es Zwiesprache, gibt es Sprache, gibt es den Geist, dessen Urakt sie ist, gibt es in Ewigkeit das Wort."(186)
[Herv. M.S.]
Durch die Negation von Gott untergräbt Celan das Buber'sche Grundaxiom der Herkunft von Sprache und widerspricht zugleich der religiös motivierten Utopie von Sachs. Als dessen Konsequenz wird die konkrete Gesprächsgemeinschaft vernichtet; an die Stelle eines identifizierbaren, bestimmbaren Du tritt das Aber-Du" als das allein sprachlich, dichterisch entworfene und immer neu zu entwerfende 'andere Ich'".(187)
Die verfehlte Begegnung zwischen einem konkreten Ich und Du repräsentiert
also die Differenzen zwischen Celan und Sachs, das Beschwören einer
Gemeinsamkeit im 'Nicht-Wissen' wird von Celan zurückgewiesen. Nelly
Sachs selbst wird mit ihrer jüdisch geprägten Glaubenshaltung
und Poetik zum 'Medium', mittels dem Celan seine eigene Position zu seinen
jüdischen Wurzeln bestimmen kann: ein scheinbares Zwiegespräch
zwischen Ich und Du erweist sich als poetischer Dialog, als letztendlich
monologisch orientierte Auseinandersetzung des Ichs mit seinem Aber-Ich.
3.2 Soviel Gestirne
Soviel Gestirne, die
man uns hinhält. Ich war,
als ich dich ansah - wann? -,
draußen bei
5 den anderen Welten.
O diese Wege, galaktisch,
o diese Stunde, die uns
die Nächte herüberwog in
die Last unsrer Namen. Es ist,
10 ich weiß es, nicht wahr,
daß wir lebten, es ging
blind nur ein Atem zwischen
Dort und Nicht-da und Zuweilen,
kometenhaft schwirrte ein Aug
15 auf Erloschenes zu, in den Schluchten,
da, wo's verglühte, stand
zitzenprächtig die Zeit,
an der schon empor- und hinab-
und hinwegwuchs, was
20 ist oder war oder sein wird -,
ich weiß,
ich weiß und du weißt, wir wußten,
wir wußten nicht, wir
waren ja da und nicht dort,
25 und zuweilen, wenn
nur das Nichts zwischen uns stand, fanden
wir ganz zueinander.
[GW I: S. 217]
3.2.1 Textimmanente Interpretation
Soviel Gestirne setzt sich aus drei unterschiedlich langen Strophen zusammen, wobei die Anfangs- (fünf Zeilen) und Schlußstrophe (sieben Zeilen) jeweils kürzer sind als die Mittelstrophe. (15 Zeilen)
Die ersten fünf Verse leiten die folgende Beschreibung einer vergangenen Begegnung zwischen Ich und Du ein (Ich war, / als ich dich ansah"). Das Gedicht setzt ein mit der Feststellung, daß uns" soviel Gestirne" hingehalten werden. Der Begegnungsrahmen wird dann relativ nüchtern beschrieben: das Ich war beim Ansehen des Du draußen bei den anderen Welten". Zwar ist dadurch ein Zusammensein von Ich und Du impliziert, jedoch ist das Ich im Geiste woanders, was auch durch die relativierende Frage wann?" verdeutlicht ist.
Die zweite Strophe öffnet den Blickwinkel und gibt auf emphatische Weise und mit Bildern aus der Sternenmetaphorik die 'Bewegungen' von Atem" und Auge" wieder, zweier Elemente, die bei Celan Begegnung suggerieren. Diese Begegnung (Z.6-9) wird zunächst noch einmal in der 'Stunde' vergegenwärtigt, die uns / die Nächte herüberwog / in die Last unsrer Namen", bevor das Ich sich in Z. 9-10 im Präsens darin selbst bestätigt, daß es unwahr sei, daß wir lebten". Ob das Wir" auf das Du" oder auf eine Allgemeinheit bezogen ist, bleibt genauso schwer zu bestimmen, wie die in der ersten und zweiten Strophe geschilderten Vorgänge. Die jenseits mimetischer Erfahrung liegenden Bewegungen der 'Stunde' (diese Stunde, / die uns die Nächte herüberwog"), des 'Atems' (es ging / blind nur ein Atem zwischen / Dort und Nicht-Da"), des 'Auges' (schwirrte ein Aug") und der 'Zeit' (stand / [..] die Zeit") konstituieren einen durch Sprache geschaffenen imaginären Raum. Das Ziel schwirrenden Auges ist das Erloschene", der Ort (die Schluchten"), an dem die scheinbar über allem ruhende und ewige Zeit steht. Ewig deshalb, da an ihr schon gewachsen ist, 'was ist oder war oder sein wird.-'. Der Raum der Begegnung erscheint zunächst ungerichtet 'blind' und unbestimmt (Dort und Nicht-Da") und konkretisiert sich erst durch den Ort der Zeit: die Schluchten.
Die letzte Strophe löst den imaginären Bereich der zweiten Strophe durch eine Bewegung ab, welche das ich weiß" der Mittelstrophe wieder aufnimmt. Die Bewegung des Wissens bzw. Nicht-Wissens läuft in den letzten sieben Zeilen vom Ich über das Du zum Wir. Der Grund für das Nicht-wissen: 'wir waren ja da und nicht dort', spiegelt in verkehrter Weise genau den Ort des Atems, 'zwischen Dort und Nicht-Da'. Ein Sich-Treffen formulieren die letzten drei Verse in der Aussage eines temporären Faktums: und zuweilen, wenn / nur das Nichts zwischen uns stand, fanden / wir ganz zueinander." Parallelisiert man diese, dann korrespondiert das 'zuweilen' des Zusammenfindens mit dem 'zuweilen' des schwirrende Auges.
Die Gesamtstruktur von Soviel Gestirne läßt sich derart
entwerfen, daß der Trennung zwischen Ich und Du (erste Strophe),
gefolgt von einer Negation des Wir (V. 9-11) nur zuweilen eine Vereinigung
von Ich und Du zum Wir folgt, und zwar dann, wenn das in den Schluchten
verglühende Auge die Zeit erblickt, welche als omnipotentes weibliches
Element (zitzenprächtig") alles zu regieren scheint. Das Nichts der
letzten Strophe stellt die temporäre Bedingung für eine zeitweilige
Begegnung dar: wenn / nur das Nichts zwischen uns stand, fanden / wir ganz
zueinander."
3.2.2 Gedichtkommentar
Celan vermerkt die erste Niederschrift von Soviel Gestirne auf den 19.6.1960, also zwei Tage nach dem Besuch von Nelly Sachs bei Celans in Paris. (13. - 17.6.1960).(188)
Wie in Zürich, kommt es dabei abermals zu einem Gespräch über Gott und v.a. auch über die Verfolgungsängste beider.
[...] Weißt du noch, wie, als wir ein zweites Mal von Gott
sprachen, in unserm Haus, das das deine, das Dich erwartende ist, der goldene
Schimmer auf der Wand stand? Von Dir, von Deiner Nähe her wird solches
sichtbar, [...]"(189)
Celan faßt in seinen, ähnlich wie beim Zürich-Treffen, chronologischen Notizen den letzten Tag des Paris-Treffens zusammen:
17 juin: 2h 50 Nelly Sachs Abreise
Vormittag Nelly S. bei uns. Das Gedicht »Du
mit dem Verlernen Beschäftigte (?)« u.a. ihre
Mutter. Die Mutter: zehn Jahre hindurch
jede Nacht Gespräch mit den Toten, dann am
Morgen, Beruhigung."(190)
Interessanterweise ist dieses Gedicht auch schon in Celans Zürichnotizen
verzeichnet: Die nächtliche Begegnung rekurriert aber auch noch auf
ein anderes mögliches Zitat, das Gedicht Du in der Nacht von Nelly
Sachs.
Du in der Nacht
Du
in der Nacht
mit dem Verlernen der Welt Beschäftigte
von weit weit her
dein Finger die Eisgrotte bemalte
mit der singenden Landkarte
eines verborgenen Meeres
das sammelte in der Muschel deines Ohres die Noten
Brücken-Bausteine
von Hier nach Dort
diese haargenaue Aufgabe
deren Lösung
den Sterbenden mitgegeben wird.(191)
Des weiteren dient nach Lönker O diese Wege, galaktisch, [...]"
als ein Beispiel in einer Reihe von Anspielungen auf Jean Pauls Roman Der
Komet.(192)
In Soviel Gestirne scheint zudem noch ein frühes Gedicht von Celan verwoben zu sein, das bereits zuvor erwähnte Sternenlied.(193)
Wenn Celan in Zürich, Zum Storchen möglicherweise mit dem Gold-Motiv auf das Gedicht rekurriert, so scheint es jetzt die nächtliche Begegnung mit einem Du unterm Sternenhimmel zu sein, auf die er sich in Soviel Gestirne bezieht. Das Sternmotiv taucht in Soviel Gestirne zum ersten Mal in der Niemandsrose in gleichermaßen existenziell wie poetologischem Kontext"(194)
auf.
Zu Nelly Sachs führt aber noch eine andere Spur. Mit den Zeilen diese Stunde, die uns / die Nächte herüberwog" (Z. 7/8) spielt Celan, wie schon im kurz vor dem Parisbesuch entstandenen Gedicht Selbdritt, Selbviert (Diese Stunde, deine Stunde"(195)
) mit dem Motiv des Wiegens auf die Schlußpartie von Nelly Sachs' Gedicht Die Stunde zu Endor an: Auf der Sternenwaage gewogen / wiegt des Leidens / flammengekrümmter Wurm / Gott aus-".(196)
Das Motiv der Waage und des Abwägens im Hinblick auf das Wissen von Gott wäre dann auch mit der letzten Strophe verknüpft, welche die Wissensthematik aus Zürich, Zum Storchen fortsetzt. Vergleicht man den restlichen Motivbestand von Die Stunde zu Endor und von Soviel Gestirne, so ergeben sich erstaunliche Ähnlichkeiten. Fast alle Motive finden ihre Entsprechung im 1954 entstandenen Gedicht von Sachs: Sterne, Nacht, Begegnung, Atem, Zeit, Erinnerung, Blindsein, Weltraum, Wissen, Waage.
Die in Soviel Gestirne beschriebene vergangene nächtliche Begegnung (vgl. Z.8), [..] wenn nur das Nichts zwischen uns stand, fanden wir ganz zueinander", steht auch in Zusammenhang mit dem späteren Gedicht Radix, Matrix, in dem es heißt: du mir vorzeiten, / du mir im Nichts einer Nacht, du in der Aber-Nacht Be- / gegnete, du / Aber-Du-:"(197)
Einen weiteren Bezug auf die Nacht als Motiv bezeugt das im ersten Zyklus folgende Gedicht Dein Hinübersein(198)
, dessen erste beiden Verse lauten: Dein / Hinübersein heute Nacht."
Eine zusätzliche intertextuelle Spur bzgl. der Schlußstrophe führt nach Schulze(199)
zu Rilkes achter Duineser Elegie, in der den Liebenden die Sicht in das Offene verstellt ist:
Wir haben nie, nicht einen einzigen Tag,
den reinen Raum vor uns, in dem die Blumen
unendlich aufgehn. Immer ist es die Welt
und niemals Nirgends ohne Nicht: das Reine,
Unüberwachte, das man atmet und
unendlich weiß und nicht begehrt. [...]
[...]
Liebende, wäre nicht der andre, der
die Sicht verstellt, sind nah daran und staunen..." (200)
Als letztes 'Datum' des Textes nimmt die Schlußstrophe schließlich die 'Wissensthematik' aus Zürich, Zum Storchen wieder auf, um sie aber mit verändertem Vorzeichen zum Zeugnis einer wenn auch nur zeitweiligen Synthese von Ich und Du im Wir zu transformieren.
Fazit bleibt jedoch der wichtigste Bezug von Soviel Gestirne: Celan reflektiert Die Stunde zu Endor im ersten Zyklus der Niemandsrose, was um so deutlicher wird, als schon im kurz vor dem Paris-Besuch von Sachs entstandenen Gedicht Selbdritt, Selbviert(201)
die Aufnahme des Terminus der Blut-Krause-Minze als "Krauseminze"
dies nahelegt. (V.1/11)
3.2.3 Versuch einer Gesamtinterpretation
Soviel Gestirne thematisiert höchst intertextuell das Entzweitsein und die Begegnung zwischen Ich und Du. Im folgenden möchte ich mich dabei auf drei Hauptaspekte der Begegnung konzentrieren: zum einen auf die Bewegungen des Gedichts, die eine Begegnung ermöglichen, zum anderen auf die Frage, welche Bedeutungsdimensionen das Du in sich trägt. Des weiteren richtet sich der Blick auf die Bedingung der Begegnung, das Nichts, bzw. darauf, wie dieses Nichts sich ins Gedicht und in seinen Kontext einordnen und semantisieren läßt.
Die im ersten Teil des Gedichts beschriebene Trennung zwischen Ich und Du 'erläutert' bis zur Mitte von Vers 13, welche Bedingungen zu dieser Trennung beitrugen. In der ersten Versgruppe adressiert zunächst das Ich das Du mit den Worten: Soviel Gestirne, die / man uns hinhält." Obwohl das uns" etwas gemeinsames evoziert, ist das Ich im folgenden als draußen bei / den anderen Welten" gekennzeichnet. Das mag zwar auch als ekstatischer Zustand"(202)
als Folge der Begegnung deutbar sein, aber auch das nächste uns" als Begegnungsmerkmal (diese Stunde, die uns / die Nächte herüberwog in die Last unsrer Namen") wird durch die folgende Aussage ins Irreale gerückt: Es ist, / ich weiß es, nicht wahr, / daß wir lebten". Der Grund für diese Negation der Wirklichkeit individueller Existenz"(203)
ist der 'blinde Atem', eine Chiffre für eine unzulängliche und ungerichtete Begegnung des Sprechens(204)
, die zwischen / Dort und Nicht-da", also nicht hier (im Gegensatz zur Schlußstrophe) stattfindet. Dem Ort dieses 'Dorts' entspräche dann jene[r] Ort des Schweigens"(205)
, an dem aufgrund eines nicht-existenten Wir" keine Sprache und somit auch keine Begegnung möglich ist. Den Richtungswechsel des Gedichts, hin zu einer Begegnung, markiert das Zuweilen" (Vers 13) in der Gedichtmitte. Zuweilen, / kometenhaft schwirrte ein Aug / auf Erloschenes zu" deutet an, daß das Auge für kurze Zeit imstande ist, die mit 'Erloschenem' womöglich gleichzusetzende Erinnerung und die Zeit zu sehen. Den Ort seines Verglühens nimmt 'zitzenprächtig' eben diese Zeit ein, welche hier ähnlich einer Mutterfigur als 'die Zeit umspannend', als unendlich-gottähnliches Wesen dargestellt wird. (was / ist oder war oder sein wird" analog zu Ich bin das A und O, der Anfang und das Ende [...], der da ist und der da war und der da kommt, der Allmächtige"(206)
) In Anschauung dieser Mutterfigur, die dem Motiv der Schwestergestalt unmittelbar entspricht, sprengt das Gedicht die Bande der Zeit, rettet es sich vor ihrer erdrückenden Wirklichkeit"(207)
und, so könnte man hinzusetzen, schafft einen Weg aus dem Schweigen, schafft die Voraussetzung für die Begegnung mit dem Du.
Diese Begegnung im Wir", auch wenn sie erst 'herbeigestammelt' werden muß, zeigt sich in der Schlußstrophe: ich weiß, / ich weiß und du weißt, wir wußten, / wir wußten nicht". Celan wiederholt das Motiv des Sehens und der Begegnung in dem etwas weniger komplexen Gedicht Eis, Eden, das gleich dem Titel, wie es scheint, den Gegensatz der Wirklichkeit mit dem 'Eden' einer Begegnung abbildet.
Eis, Eden
Es ist ein Land Verloren,
da wächst ein Mond im Ried,
und das mit uns erfroren,
es glüht umher und sieht.
Es sieht, denn es hat Augen,
die helle Erden sind.
Die Nacht, die Nacht, die Laugen.
Es sieht, das Augenkind.
Es sieht, es sieht, wir sehen,
ich sehe dich, du siehst.
Das Eis wird auferstehen,
eh sich die Stunde schließt."(208)
Wenn das Auge in Soviel Gestirne noch 'zuweilen verglüht' so 'glüht es hier umher und sieht'.
Eine Kontrastierung von Zürich, Zum Storchen, Soviel Gestirne und Eis, Eden bezüglich einer Begegnung bzw. Konstituierung eines ansprechbaren Du zeigt, daß diese drei Gedichte drei Zustände aufweisen. Ungleich wie in Zürich, Zum Storchen, in dem das Wir der Schlußstrophe die Ich-Du-Antinomie nicht synthetisiert, kommt es in Soviel Gestirne zu einer 'noch unsicheren' Begegnung, die wiederum durch eine 'klarer formulierte' Begegnung kontrastiert wird. (Es sieht, es sieht, wir sehen, / ich sehe dich, du siehst"(209)
)
In Gegensatz zu Eis, Eden markiert die Schlußstrophe in Soviel Gestirne jedoch zweierlei. Einerseits kommt es zu einer Begegnung, die ihren Ursprung im gemeinsamen Zweifel hat. Auf der anderen Seite ist das Gelingen der Begegnung mit einer Bedingung verknüpft: wenn / nur das Nichts zwischen uns stand". Die Bedeutungsdimensionen des hier genannten Nichts sind in ihrer Gesamtheit nur schwer zu erfassen, deshalb konzentriere ich mich im folgenden in Hinblick auf den explizit jüdischen Kontext des ersten Zyklus der Niemandsrose, in den auch Soviel Gestirne eingebettet ist, d.h. auf den mystisch-religiösen Horizont.(210)
Das Spannungsfeld, in dem sich das Nichts als aussagekräftig für die Interpretation des Gedichtes und für das Verhältnis zwischen Celan und Sachs bewegt, ist mit zwei Polen einzugrenzen. Für Nelly Sachs ist eine bereits zitierte Briefaussage an Walter Berendson aussagekräftig:
Wir fühlen wohl alle, daß es im Grunde nicht um das sichtbare
Universum geht - nicht um die Mondreise, die wohl für die nächste
Generation schon Wirklichkeit wird - sondern um weit Hintergründigeres,
die Landschaft des »Nichts« oder »Gottes«, immerhin
dort, wohin sich alles, was auszieht aus Tod, [...] einschreibt."(211)
Celans Nichts-Begriff in Soviel Gestirne erweist sich als mehrfach besetzbar. Eine Deutungvariation besteht darin, das Nichts als Extremwert nihilistischen Denkens zu werten. Diese absolute Leere widerspräche aber dem doch Hoffnung evozierenden Zusammenfinden der Schlußstrophe. Weiterhin möglich scheint eine kabbalistische Deutung des Nichts als der Zustand eines verborgenen Gottes:
In kabbalistischer Sicht erhält das Nichts besonderen Wert,
da es - positiv gewendet - die Stufe von Gottes Selbstoffenbarung markiert,
die man qualitativ (noch) nicht definieren kann, und der es folglich dem
Nichts" als Leere ohne Gott gegenübersteht."(212)
Dieser verborgene Gott entspräche dann radikalisiert Celans Vorstellung von einem nicht mehr existenten Gott:
Wegen des Ausbleibens göttlicher Gegenwart erfährt das
Nichts" - ein substantiviertes Indefinitpronomen - im Sinne eines Ersatzes
eine Apotheose. Von daher gesehen gilt die verheißene Hoffnung auf
eine religiöse Erlösung als enttäuscht."(213)
Celans Kenntnisse des Hebräischen deuten auf eine naheliegendere Interpretation, welche die Schlußstrophe als Wiederholung und Zuspitzung des Mittelteils ausmacht. So kann 'das Nichts' im Hebräischen auch als 'Auge' gelesen werden,(214)
was bei entsprechender Ersetzung des 'Nichts' (der vorletzten Zeile von Soviel Gestirne) die Bedingung des Zueinanderfindens auf eben die vorher beschriebene Bewegung des Auges verweist. Das Auge erblickt 'zuweilen' die zitzenprächtigen" Mutterfigur, welche die personifizierte Zeit darstellt. Eine Begegnung ist also nur dann möglich, wenn das Ich und das Du diesen Anblick teilen. Die Einschränkung der Begegnung, das zuweilen" des Anblicks mit der Begründung des Hier- und Dortseins wird konsequenterweise zur eigentlichen Bedingung des Zueinanderfindens. Dieser Meinung ist auch Meinecke:
Die persönliche Begegnung kann hier erst stattfinden, wenn alles
Wissen und Nicht-Wissen, wenn alles kategoriale Hier und Dort aufgehört
hat, sich 'galaktisch' vor die sich sehenden Augen zu stellen."(215)
Wie in Zürich, Zum Storchen, stellt sich auch in Soviel Gestirne die Frage nach der semantischen Besetzbarkeit des Du. In Radix, Matrix(216)
heißt es in scheinbarem Bezug auf Soviel Gestirne:
Wie man zum Stein spricht, wie
du,
mir vom Abgrund her, von
einer Heimat her Ver-
schwisterte, Zu-
geschleuderte, du,
du mir vorzeiten,
du mir im Nichts einer Nacht,
du in der Aber-Nacht Be-
gegnete, du
Aber-Du -:"
Mit den intertextuellen Bezügen(217)
, die wie gezeigt, sich vor allem auf Nelly Sachs konzentrieren, rückt das Du in die Nähe einer Schwestergestalt, die wie auch im folgenden Gedicht Die Schleuse in das angeredete Du Celans integriert zu sein scheint. Die Nähe des Gedichts zum Paris-Besuch von Sachs und zu den Motiven in ihrem Gedicht Die Stunde zu Endor untermauert die mögliche Besetzung des 'Dus' mit Nelly Sachs.
Celan wird durch Sachs verstärkt mit seinen jüdischen Wurzeln
konfrontiert, sie wird darin für ihn zu einer Repräsentantin
des Judentums. Die Begegnung mit der jüdischen Schwester gelingt dem
Ich jedoch nur im Nichts, in einem Zustand, dem ein Verneinen der jüdischen
Glaubenstradition vorausgegangen ist. Setzt man bezüglich der Schwester-figur
Radix, Matrix mit Soviel Gestirne in Verbindung, so zeigt sich, daß
Celan das Du bzw. die Schwester letztendlich wieder mit dem Aber-Du" gleichstellt.
Die Begegnung mit der Schwester umfaßt dann folglich auch eine Selbstbegegnung
des Ichs im Augenblick der Negation.
3.3 Die SCHLEUSE
Über aller dieser deiner
Trauer: kein
zweiter Himmel.
...........................
5 An einen Mund,
dem es ein Tausendwort war,
verlor -
verlor ich ein Wort,
das mir verblieben war:
10 Schwester.
An
die Vielgötterei
verlor ich ein Wort, das mich suchte:
Kaddisch.
15 Durch
die Schleuse mußt ich,
das Wort in die Salzflut zurück-
und hinaus- und hinüberzuretten:
Jiskor.
[GW I, 222]
3.3.1 Textimmanente Interpretation
Die Schleuse besteht aus vier Strophen unterschiedlicher Länge, wobei die erste von der zweiten durch eine gepunktete Leerzeile getrennt ist. Strophe eins wirkt allein dadurch 'graphisch' abgesetzt, wie eine Art Exposition des Nachfolgenden.
In der ersten Strophe wendet sich ein 'Sprecher' an ein trauerndes Gegenüber. Über aller dieser deiner / Trauer" existiert kein / zweiter Himmel". Nicht klar wird, ob das lyrische Ich hier nicht auch zu sich selber sprechen könnte.
Die jeweilige Struktur der einzelnen Strophen zeigt eine interessante Parallele: in jeder Strophe münden die Verse, am Ende durch einen Doppelpunkt abgetrennt, in eine Aussage (1.Strophe) bzw. in ein Wort: kein zweiter Himmel", Schwester", Kaddisch", Jiskor". Dabei fällt auf, daß die letzten drei Strophen auf besondere Arten miteinander verbunden sind.
Die Schlußwörter von Strophe zwei und drei sind dadurch charakterisiert, daß sie dem Ich verloren gegangen sind. Beide Male verliert das Ich als Einzelner ein Wort an eine Art Vielheit: , einmal an einen Mund, / dem es ein Tausendwort war", für den es also nur ein Wort unter Tausenden war, zum anderen an die Vielgötterei". Eine weitere Parallele liegt im das jeweilige Wort erklärenden Relativsatz. Das Wort Schwester" war dem Ich verblieben (zweite Strophe) und das Wort Kaddisch" suchte das Ich (dritte Strophe).
Außerdem stehen auch Strophe drei und vier miteinander in Verbindung: ihre Schlußwörter Kaddisch" und Jiskor" entstammen jeweils dem Hebräischen und sind im Gedicht kursiv hervorgehoben.
Die letzten fünf Zeilen stehen in Opposition zu den beiden vorangegangenen Strophen. Während das Ich in Strophe zwei und drei jeweils ein Wort verlor, mußte das Ich hier das Wort in die Salzflut zurück- / und hinaus- und hinüberretten".(218)
Die hier genannte Schleuse" verweist auf den Titel des Gedichts.
Eine Schleuse hat im Deutschen zwei Bedeutungen. Zum einen kann sie in Binnenkanälen Schiffe auf ein niedrigeres oder höheres Wasserniveau heben, zum anderen kann sie aber auch im Küstenbereich das Süß- vom Salzwasser trennen. Diese zweite Bedeutung erscheint durch die in der letzten Strophe genannte Salzflut" plausibler. Salzflut" erinnert zudem stark an Tränen.
Der Versuch des Ichs, nach dem Verlust von Schwester" und Kaddisch" das Wort Jiskor" als etwas kostbares zu retten, intensiviert die Bedeutung von Jiskor" im Gegensatz zu den beiden verlorenen Worten.
Die vierte Strophe weist das Gedicht auch verstärkt als poetologischen Text aus. Nachdem das Ich Worte verloren hat (Strophe zwei und drei), d.h. Sprache, muß es jetzt durch die Schleuse" um ein Wort namens Jiskor" zu retten. Dieses Wort stünde dann für die gerettete Sprache.
Gerade in der Schleuse bleibt jedoch trotzdem das Verständnis
des Gedichtes bei einer Interpretation ohne Vorwissen stark begrenzt. Zwar
ist die Bewegung und die Struktur des Gedichtes nachzuvollziehen, ohne
einen Kommentar beispielsweise der zentralen hebräischen Termini bleibt
die Interpretation jedoch unbefriedigend.
3.3.2 Gedichtkommentar
Die Schleuse entstand am 13. September 1960, an dem Tag, als Celan in Paris zum ersten Mal Martin Buber persönlich begegnete. Kurz zuvor war Celan von seinem mißglückten Besuch von Nelly Sachs aus Stockholm zurückgekommen (30.August-9.September), bei dem Sachs ihren jüngeren Bruder"(219)
Celan aus Verfolgungsangst um ihn und sich selbst nicht zu sich ließ. Die Vorgänge vor und nach dem Besuch von Celan reflektiert der Briefwechsel, dessen Versatzstücke für sich selbst sprechen. Sachs lädt Celan mit seiner Familie nach Stockholm zu sich ins Krankenhaus ein:
Könntest Du wohl am 27. oder 28. August kommen? [...] Ich lade
Dich selbstverständlich mit allem was dazu gehört ein, kann es
jetzt, die größte Freude für mich. Wenn Gisèle und
Eric mitkämen so wäre ein großer Schritt weiter zu meiner
Gesundheit getan. Schreib bitte Express!"(220)
Celan antwortet ihr daraufhin:
Du weißt also, daß ich nur auf einen Wink warte, daß
wir nur auf einen Wink warten."(221)
Sachs bestätigt Celans Antwort,
Du bist jeden Tag den Du kommst von Herzen willkommen. Wir müssen
uns endlich sprechen damit Klarheit wird! [...] Komme so schnell als möglich!"(222)
um ihm jedoch kurze Zeit später telegraphisch abzusagen:
Auf keinen Fall kommen
Es gibt kein Zimmer in Stockholm"(223)
Celan fährt trotzdem nach Stockholm, Nelly Sachs läßt ihn aber nicht zu sich. Nach dem Aufenthalt Celans schreibt sie ihm:
[...] schnell schreibt mir - ich sehe »Morgen« nach der
Schwärze in der wir Alle gefangen waren. Habe Euch tief, tief durch
alle Nächte im Herzen getragen."(224)
Sachs resümiert schließlich im Dezember 1960 das vorher Geschehene:
habe solange auf Nachricht gewartet - aber vielleicht habe ich Euch
weh getan - damals in meiner Verzweiflung inmitten der Höllenfahrt.
Hatte solche Angst um Euch daß ich die vielen Depeschen sandte -
aber nun hat man mich wieder hinausgeführt ins Helle. Die Klarheit
die ich auf diesem Läuterungsweg empfing ist die, daß ich allen,
die in diese unglückliche Geschichte verwickelt waren und mir den
Glauben an alles und an mich selber nahmen (ich gab schon meinen Verfolgern
recht und empfand mich als die größte Sünderin), die Hand
reichen mußte. Was soll das auch gegen Rassen und Völker kämpfen
und die Menschen als Person kennen nicht einander. Mir ist zu Mute als
müßte ich so vielen Abbitte tun, daß ich die mir am nächsten
stehenden Menschen und vor allem Paul und Gudrun in meine Dunkelheit einließ
und ihnen wehe tat."(225)
Des weiteren war Celan zur Entstehungszeit der Schleuse auch den Plagiat-Vorwürfen der Witwe Yvan Golls ausgesetzt. Diese Attacken, er hätte von Goll abgeschrieben, trafen ihn nicht nur in seinem Selbstverständnis als Dichter, sondern verursachten bei ihm wahnhafte Züge".(226)
Das Eintreten namhafter Autoren für Celan(227)
, die Widerlegung des Vorwurfes und schließlich der 1960 verliehene Büchnerpreis(228)
konnten ihn nicht von seiner Angst, Opfer einer antisemitischen Diffamierungskampagne zu sein, abbringen. Wer ihm nicht zustimmen mochte, geriet in Verdacht, einen westdeutschen Neonazismus zu begünstigen, sei es auch nur durch Verharmlosung."(229)
Dies betrifft auch den von Nelly Sachs und bis dahin auch von Celan
verehrten Martin Buber, dessen versöhnliche Töne gegenüber
Deutschland Celan bei ihrem ersten Treffen zutiefst befremdet haben müssen.
Auf Celans innerstes Bedürfnis, irgendeinen Widerhall seines eigenen
Elends zu vernehmen, konnte und wollte Buber nicht eingehen."(230)
In diesem Entstehungskontext kann Die Schleuse betrachtet werden.
Das Gedicht handelt vom Verlust und der Rettung von Worten, was nicht zuletzt
Celans Bemühen kennzeichnet, seinen poetologischen 'Kurs' angesichts
der Angst vor fortwährenden 'Kritikattacken' weiter zu formen.
Die der Endfassung vorangehenden Textzeugen enthalten jeweils den Titel Stockholm, Linnégatan tolv.(231)
Erst in der Enfassung verwischt Celan diese konkrete Spur zu Nelly Sachs und somit auch die Parallele zu den im Stockholmer Stadtzentrum befindlichen slussen", die das mittelschwe-dische Binnengewässer vom Salzwasser der Ostsee trennen und diese Grenze zugleich unpassierbar machen."(232)
Die erste Strophe beschreibt die ganze Trauer(233)
eines Du (dieser, deiner"(234)
) oder aber auch die Trauer aller", über der kein zweiter Himmel" existiert:
Die Unterscheidung mehrerer Himmel ist Gemeingut verschiedener Religionen.
[...] Die Wendung verweist offensichtlich auf einen Ort in der Transzendenz,
analog etwa zur zweiten Welt", die Celan aus seiner Jean-Paul-Lektüre
gekannt haben müßte und die dort den Ort der erhofften Wiedergeburt
bezeichnet. Hier wird ein möglicher zweiter Himmel" als erhoffter
Ort der Erlösung negiert."(235)
Das Wort Schwester steht gerade in der Schleuse in engem Zusammenhang mit Nelly Sachs. Schon früh sehnt sich Celan nach einer leiblichen Schwester, die er in Nelly Sachs auf eine besondere Weise gefunden zu haben schien. Darauf deuten verschiedene Belege im Briefwechsel, wie z.B. die Antwort auf die vorangegangene Bruder-Bezeichnung durch Sachs(236)
: hab Dank, du Gute und Schwesterliche".(237)
Die in Strophe zwei und drei als Schlußworte genannten jüdischen
Bezeichnungen verweisen auf zwei unterschiedliche jüdische Gebete:
Kaddisch:
Hebräisch wörtlich Heiliger". Altes jüdisches Gebet, in den ersten drei Bitten mit dem christlichen Vaterunser übereinstimmend. Der Kaddisch wird als ein Gebet für Trauernde" zuerst nach der Totenbestattung, dann während der Trauerzeit und an den Jahrestagen gemeinschaftlich gesprochen. Er ist häufig das noch einzige Band, das eine dem jüdischen Leben fremd gewordene Generation an die Religion ihrer Ahnen knüpft."(238)
rituelles jüdisches Gemeindegebet, besonders für die Toten"(239)
zu deutsch: 'heilig' [...] Name eines jüdischen Erlösungsgebets,
in dem eine dreifache Heiligung der Schöpfung als Herzenseinheit,
Gotteseinheit und Völkereinheit" zum Ausdruck gebracht wird."(240)
Jiskor:
Hebräisch 'Er möge sich erinnern'. Anders als das Kaddisch"
ist das Jiskor" ein stilles" Totengebet. [...] das stillste der jüdischen
Totengebete; es gehört nur je einem Einzelnen."(241)
jüdisches Totengebet, im Gegensatz zum Kaddisch ein stilles
Gebet mit einem Erinnerungsappell an Gott"(242)
Jiskor ist zudem in der ersten Textfassung mit einem Ausrufezeichen
versehen (das Celan jedoch nachvollziehbar in der ersten Textfassung sofort
korrigiert hat).(243)
3.3.3 Versuch einer Gesamtinterpretation
Die Schleuse erweist sich durch das Thematisieren von Worten als ein deutlich poetologisches Gedicht, das auch gleichzeitig Celans Standpunkt gegenüber seinem Judentum weiter bestimmt. Eingeschrieben ist aber auch Celans Besuch bei Nelly Sachs.
Mit dem Wissen des Kommentars liegt es nahe, das deiner" der ersten Zeile entweder mit Nelly Sachs oder mit Celan selber im Sinne eines Selbstgesprächs zu verknüpfen. Beide haben Grund zur Trauer", oder auch zur in der ersten Textfassung noch erhaltenen Schwermut". Kein zweiter Himmel" deutet auf die im Kommentar angedeutete fehlende Erlösung bzw. göttliche Transzendenz hin, welche diese Trauer begleitet. Die folgende punktierte Leerzeile ist daher dementsprechend eben als diese Leerstelle, dieses unsagbare Nichts zu verstehen, was ja auch in Zürich, Zum Storchen und in Soviel Gestirne(244)
ausgeführt ist.
Dieser Exposition folgt im Gedicht eine Strophentrias, die als Folge dieser unerlösten Trauer das Ich zwei Worte verlieren und schließlich eines retten läßt. Der erste Verlust betrifft das Wort Schwester", das dem Ich bis zu diesem Moment paradoxerweise verblieben war".
Nach Felstiner spricht das köstliche Wort »Schwester«
für die Schwester, die Celan niemals gehabt hat, für eine Geliebte,
für eine verlorene Mutter - sie alle verkörpert in Nelly Sachs."(245)
Mit diesem Wort öffnet sich die Deutungsdimension des angeredeten Du: der Bezug zu Nelly Sachs als Schwester wird ergänzt durch die Interpretationsmöglichkeit eines kollektiv weiblichen Du, wie es vor allem für die Schechina zutrifft.(246)
Das Schechina-Motiv durchzieht, wie sich schon allein durch das kurz vorher entstandene Gedicht Dein Hinübersein(247)
zeigt, zahlreiche Gedichte des ersten, in der 'intensivsten' Freundschaftsphase mit Sachs entstandenen Zyklus der Niemandsrose.
Dabei dominiert - ausgehend vom Gespräch mit Nelly Sachs und
ihrer Transformation in die Schwestergestalt - der Bereich des Weiblichen,
der über die unübersehbaren kabbalistischen Kontexte auf die
Schechinah" und so auf das jüdische Volk verweist."(248)
Dein Hinübersein trägt in der ersten handschriftlichen Niederschrift demnach auch noch den Titel Schechina.(249)
Zwar ist schwer nachzuvollziehen, welche genaue Bedeutungsdimension der Begriff für Celan hatte, seine Kenntnisse jüdischer Mystik v.a. durch die Vermittlung Gershom Scholems(250)
und die Umschreibung der Schwestergestalt in Celans Gedichten lassen aber vermuten, daß für Celan vor allem das weibliche Element der Schechina von Bedeutung gewesen ist.(251)
So markiert das 'verlorene Wort' Schwester ohne bereits auf eine exakte Fixierung ihres Bedeutungsgehaltes zu zielen, [..] die sprachliche Qualität ihrer Gegenwart."(252)
Andere Parallelstellen verweisen auf weitere Attribute der Schwestergestalt:
Große, graue
wie alles Verlorene nahe
Schwesterngestalt
[...]
Große, Graue. Fährte-
lose.
König-
liche."(253)
Eine fremde Verlorenheit war
gestalthaft zugegen, du hättest
beinah
gelebt."(254)
Wie man zum Stein spricht, wie
du,
mir vom Abgrund her, von
einer Heimat her Ver-
schwisterte, Zu-
geschleuderte, du
du mir vorzeiten,
du mir im Nichts einer Nacht,
du in der Aber-Nacht Be-
gegnete, du
Aber-Du-:"(255)
Die 'wie alles Verlorene nahe Schwesterngestalt' vereint in paradoxerweise Weise mehrere Bedeutungsdimensionen in sich: Hervorgebracht in einem chymischen" Prozeß des Andenkens an das Erlebte, ist sie poetisches Integral der Versöhntheit und Heilserwartung ebenso wie des Grauens und des Selbstverlusts."(256)
Gleichzeitig bezieht sie auch die von einer [jüdischen] Heimat" und angesichts der gemeinsam erlebten Bedrohung auch vom Abgrund her Verschwisterte" Nelly Sachs mit ein.
Die zweite Strophe der Schleuse läßt von daher eine Deutung zu, die biographische, religiöse und auch poetologische Züge hat. Begreift man die Schwester im weitesten Sinne als Sinnbild für Celans Identifikation mit dem jüdischen Glauben, der ihm noch verblieben war", so verliert er sie hier an einen Mund, dem es ein Tausendwort war", bzw. dem es nichts galt"(257)
, wie es in der ersten Textfassung heißt. Dieser Vorgang evoziert die Situation der Begegnung mit Buber, in der Celans Erwartungen hinsichtlich einer gemeinsamen jüdischen Gesinnung durch Bubers Versöhnungshaltung gegenüber Deutschland enttäuscht werden. In diesem Fall wäre es also Buber, dem die Schwester nichts galt".
Konsequenterweise verliert das Ich in der nächsten Strophe das Wort Kaddisch, welches das Ich vergeblich suchte. Dieses in der Gemeinde bzw. gemeinschaftlich gesprochenes Gebet zu verlieren heißt aber nichts anderes für das Ich, als außerhalb der jüdischen Glaubensgemeinschaft"(258)
zu stehen und sich jeglichem kollektiven Glauben zu entziehen. An die Stelle des verlorenen Kaddisch tritt nun das vom Ich unbedingt zu rettende Jiskor. Gerettet hat er [der Sprecher] indes das stillste der jüdischen Totengebete; es gehört nur je einem Einzelnen."(259)
Celan bricht mit dem Judentum als solchem, um seinen eigenen jüdischen Standpunkt zu definieren. Die Grundbewegung der gesamten Niemandsrose trägt sich also auch in die Schleuse hinein: durch Negation des Bestehenden etwas Neues zu gewinnen.
Es zeigt sich also für Celans Judentum, daß die revelation of Celan's lack of traditional religious beliefs"(260)
erst dadurch möglich wird, indem Celan jüdisches Gedankengut in seine Gedichte einschreibt - jedoch um dieses 'Pneuma der Väter' mittels der Dekonstruktion in seiner Relevanz für sich zu gewinnen. Diese 'Relevanz' füllt sich mit einer Position, die das Judentum im Sinne des bereits zitierten Satzes Alle Dichter sind Juden." begreift. Sich als Außenseiter und Künstler mit seinen jüdischen Wurzeln auseinander-zusetzen heißt für Celan, sich 'als Einzelner' eben von diesen Wurzeln her zu definieren, in einem Glauben ohne Gott und ohne zweiten Himmel".
Die Schleuse folgt auch in ihrer poetologischen Richtungsbestimmung dem Negationsprinzip. So vollziehen die in den letzten drei Strophen explizit als Worte bestimmten Schlußworte Schwester, Kaddisch und Jiskor (was den sakralen Charakter [...] stark vermindert"(261)
) genau den Prozeß von Wortverlust und Wortgewinn nach: Auch hier wird Jiskor zu einer zu rettenden Chiffre für ein mögliches lyrisches Sprechen.
In seiner Bedeutung als Appell zum Erinnern ist Jiskor" dem griechischen
Mnemosyne (Andenken) verwandt. Mit diesem bezeichnete Hölderlin Auftrag
und Leistung des Dichters. [...] So könnte das hebräische Wort
Jiskor" - analog Hölderlins Mnemosyne" die Dichtung des jüdischen
Dichters, also den sprachlichen Ort seines" Totengedenkens bezeichnen."(262)
Dies entspricht m.E. genau Celans Konzeption einer Sprache, welche durch die tausend Finsternisse todbringender Rede" angereichert" aus ihrem furchtbarem Verstummen"(263)
'durch die Schleuse hindurch' treten kann, indem sie der 'Finsternisse'
und Daten 'eingedenk' bleibt. Erst in der Salzflut, deren geographische
Bedeutung mit Trauer und Tränen konnotiert ist, gelingt das lyrische
Sprechen.
4. Zusammenfassung
Abschließend kann gesagt werden, daß alle drei interpretierten Gedichte Celans auf eine Absage an seine jüdischen Wurzeln hinweisen. Das ich sprach / gegen ihn" (Zürich, Zum Storchen) repräsentiert Celans Haltung gegenüber einem traditionellen Judentum, gleichbedeutend mit einem kollektiven und gemeinsamen Glauben. Dies wird besonders deutlich in der Schleuse, wo das lyrische Ich das Kaddisch verloren hat. Die Glaubenseinstellung Celans kristallisiert sich innerhalb der Gedichte insofern heraus, als sie durch den Prozeß der Negation des Bestehenden erst gewonnen wird. Diesem Prinzip folgt in den Texten das Verneinen einer göttlichen Autorität in Zürich, Zum Storchen durch die Ablehnung des dem 'Du' zugesprochenen Gottes. Soviel Gestirne nimmt in der Wiederholung der Wissensthematik eine radikalisierte Bedingung für das Zueinanderfinden auf: die Darstellung Gottes als Nichts. Die im jüdisch geprägten Du verwobene Nelly Sachs wird so zum Medium Celans in einer Zwiesprache zwischen Ich und Du, zwischen Celan und einer Gestalt des personifizierten Judentums seinen eigenen Standort zu finden. Daß nach dem Dissens in Zürich, Zum Storchen Ich und Du gerade im Nichts (Soviel Gestirne) zueinanderfinden, also in einer Absage an den Glauben, erklärt den Verlust der Schwester (Die Schleuse). Nelly Sachs, die in diesem Gedicht zusammen mit der Schechina Celans Du ausfüllt wird hier verloren. Von daher spricht am Schluß der Schleuse nur das Ich allein. Dies verdeutlicht wiederum die Transformation der tatsächlichen Begegnung mit Sachs in einen poetischen Dialog und damit in eine Selbstbegegnung Celans.
Erst jetzt, ausgehend von der totalen Negation, ist es Celan möglich, einen neuen Standpunkt gegenüber seinem Judentum zu beziehen. Dieser entsteht im Wort Jiskor", dem stillen Totengebet eines Einzelnen und drückt damit Celans individualisierte Glaubensposition aus: ein Jude zu sein, der sich vornehmlich über sein Ausgegrenztsein als solcher identifiziert.
Doch Jiskor bildet auch gleichzeitig Celans poetologischen Standpunkt ab. Celans Gedichte sind demnach mit Variationen des Jiskor gleichzusetzen, mit sich wiederholenden Versuchen, im Eingedenken und Durchdenken des Geschehenen eine poetische Ausdrucksmöglichkeit zu schaffen. Die so entstehende Lyrik ist jedoch weder auf Versöhnung, noch darauf ausgerichtet, die 'Wunden' des Geschehenen zu 'heilen'. Celans Gedichte verweigern sich also genau dem, was Nelly Sachs ihnen zusprechen will: [Ich] möchte daß sie wissen, wie sehr ich Ihnen und Ihrer heilenden Sprache verbunden bin!"(264)
Wenn alle drei Gedichte Celans eine deutliche Absage an das traditionelle Judentum zeigen, so ist diese Absage auch mit einer Zurückweisung der jüdisch geprägten Heilserwartungen von Sachs gleichzusetzen. Durch die Absage an den 'jüdischen Gott' von Sachs markiert er so eine Differenz auch bezüglich ihrer Poetik, die ja den Wechselbezug von Sprache und Glauben als Grundaxiom beinhaltet.
Das am Anfang der Arbeit stehende Zitat über eine Freundschaft, die im poetischen Wort ihren Halt und ihre Hoffnung findet"(265)
, muß also insoweit relativiert werden, als Celan und Sachs ohne Zweifel eine tiefe menschliche Schicksalsgemeinschaft als jüdische Autoren nach den erlittenen Verfolgungen verbindet, was, wenn auch oft in stilisierter Form, der Briefwechsel zeigt. In der poetischen, inhaltlichen, und religiösen 'Aufarbeitung' werden aber vor allem getrennte Intentionen sichtbar.
Die Begegnung mit Nelly Sachs verdeutlicht besonders im ersten Zyklus der Niemandsrose eine wichtige Grundbewegung in der poetischen Raum-Konzeption des gesamten Gedichtbandes.(266)
Mit Nelly Sachs erreicht Celan ein [...] Zur-Tiefe-Gehen" (GW III: S. 212) 'in die Schluchten', ein In-sich-gehen und Infragestellen, dessen Extremwert das Nichts" ausfüllt. Von diesem aus kann erst eine Bewegung nach oben, ein Wieder-Aufbauen stattfinden, was durch viele entsprechende Richtungsadverbien in den folgenden Zyklen ausgedrückt ist. In dieser 'Neu-Konstituierung' des Weltentwurfes innerhalb der Niemandsrose realisiert Celan seinen Daseinsentwurf. Die Begegnung mit Sachs verhilft Celan also auch zu einer Selbstbegegnung, deren Struktur bereits im 1959 entstandenen Gespräch im Gebirg vorgezeichnet ist:
ich weiß, Geschwisterkind, ich weiß, ich bin dir begegnet,
hier [...] - ich hier, ich; ich, der ich dir alles sagen kann [...] ich
auf dem Weg hier zu mir, oben." (267)
Siglenverzeichnis
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BW Paul Celan - Nelly Sachs. Briefwechsel. Hg. v. Barbara Wiedemann.
Frankfurt/M.: Suhrkamp 1993.
GS Fahrt ins Staublose. Die Gedichte der Nelly Sachs.
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Colin, Amy D. (Hg.): Argumentum e Silentio. Berlin : de Gruyter, 1986. S.72-86.
Zürcher, Gustav: Das Gedicht als Genicht. In Text und Kritik 53/54 (1984).
S.9-18.
Erklärung
Hiermit versichere ich gemäß § 30 Abs. 6 der LPO
I, vorliegende Arbeit selbst verfaßt und keine anderen Hilfsmittel
als die angegebenen benützt zu haben. Die Stellen der Arbeit, welche
anderen Werken im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen sind, wurden als
solche gekennzeichnet.
Bamberg, 2.2.1998
Matthias Schloßbauer
0 Bach, Theo: Meridian des Schmerzes. Der Briefwechsel von Nelly Sachs und Paul Celan: Lyrik unter Freunden. In: TAZ. Nr. 4264 vom 15.03.1994. S. 16-17.
0 Stellvertretend ist hier etwa Jean Bollack zu nennen mit seiner Interpretation des Celan'schenGedichts Le Périgord. Bollack, Jean: Herzstein. Über ein unveröffentlichtes Gedicht von Paul Celan. Aus dem Französischen von Werner Wögerbauer. München; Wien: Hanser 1993.
0 Vgl. Lyon: Der Holocaust und die nicht-referentielle Sprache in der Lyrik Paul Celans. In: Celan- Jahrbuch 5 (1993). S. 253.
4. 0 Paul Celan: Brief vom 17.2.1958. In: Hermes. Schülerzeitung des Alten Gymnasiums (Bremen). April 1958, Nr.3, S.4. - zitiert nach Lyon: Der Holocaust und die nicht-referentielle Sprache in der Lyrik Paul Celans. S. 256.
0 Vgl. lat. datum: das gegebene".
0 Lehmann: Was muß ich wissen, um zu verstehen?". Paul Celans Gedicht 'Die Schleuse', ein Gedicht für Nelly Sachs. In: Speier, Hans Michael (Hg.):Celan Jahrbuch 4 (1991). Heidelberg: Winter.. S.28. (=Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; Folge 3, Bd. 117)
0 Der Meridian" zitiert aus: Paul Celan. Gesammelte Werke in fünf Bänden. Dritter Band. Gedichte III. Prosa. Reden. Suhrkamp: Frankfurt/M. 1983. S.187-201. Im folgenden werden die Gesammelten Werke mit der Sigle GW abgekürzt.
0 Den 20. ging Lenz durchs Gebirg." Zitiert aus: Georg Büchner: Lenz. Studienausgabe. HG. v. Hubert Gersch. Stuttgart: Reclam 1984. S. 5.
0 Mandelstam: Gespräch über Dante. Übers. v. N. Randow. Leipzig / Weimar: 1984. S.32f. [Gustav Kiepenheuer Bücherei 43]. H.d.V.
0 Lehmann: Was muß ich wissen, um zu verstehen?". S.40.
0 GW III: S. 198.
13. 0 Ivanovic, Christine: Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung. Dichtung und Poetik Celans im Kontext seiner russischen Lektüren. Tübingen: Max Niemeyer 1996. S.9.
0 Ebd.: S. 215.
0 Ebd.: S 14/15.
16. 0 Zitiert nach: Buck, Theo: 'Wachstum oder Wunde': Zu Paul Celans Judentum. In: Grimm, Günter; Bayerdörfer, Hans Peter; Kwiet, Konrad (Hg.): Im Zeichen Hiobs: Jüdische Schriftsteller und deutsche Literatur im 20. Jahrhundert. Königstein/ Ts.: Athenäum. S. 346.
0 Ivanovic, Christine: Das Gedicht im Geheimnis der Begegnung. S. 16.
0 Chalfen berichtet, daß er Celan um die Interpretation eines Gedichtes bat, und Celan eben dies sanft und melodisch" antwortete. Vgl. Chalfen, Israel: Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt: Suhrkamp 1979. S.7.
0 Vgl. Fußnote 4.
0 So lautet auch ein Aufsatztitel Lehmanns: Was muß ich wissen, um zu verstehen? Paul Celans Gedicht 'Die Schleuse', ein Gedicht für Nelly Sachs. In: Speier, Hans Michael (Hg.): Celan Jahrbuch 4 (1991). Heidelberg: Winter (=Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; Folge 3, Bd. 117). S.27-38.
0 Siehe die in Fußnote 65 kurz skizzierte Rezension von Blöker, der Celan als reinen Sprachspieler abtut.
0 In diesem Punkt besteht dementsprechend auch ein Konsens in der Auffassung beider Interpretationspositionen, Celan in die Nähe eines poeta ductus" zu bringen. Vgl. stellvertretend für die sprachautonome" Position: Bollack: S. 339 in: Buhr, Gerhard; Roland Reuß (Hg.): Atemwende". Materialien. Würzburg: Athenäum 1985.
0 Vgl. Paul Celan: Brief vom 17.2.1958. In: Hermes. Schülerzeitung des Alten Gymnasiums (Bremen). a.a.O. S.4.
0 Ebd.
0 Wie dies etwa z.T. Günzel vollzieht: Günzel, Elke: Das wandernde Zitat. Paul Celan im jüdischen Kontext. Würzburg: Königshausen und Neumann 1995 (= Epistemata: Reihe Literaturwissenschaft; Bd. 151). Zugl.: Tübingen, Univ., Diss., 1994. Vgl. hierzu besonders das Kapitel Anstelle von Heimat": S.136-165.
0 Menninghaus, Wilfried: Zum Problem des Zitats bei Celan und in der Celan-Philologie. In: Hamacher, Werner; Winfried Menninghaus: Paul Celan. St materialien. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1988. S.80.
28. 0 In: Hugo Huppert: Sinnen und Trachten. Anmerkungen zur Poetologie. Halle (Saale): Mitteldt. Verlag 1973. S.32.
0 GW III: S. 185.
0 Brief an Minna Brettschneider vom 30.1.1934. Zitiert nach Chalfen, Israel: Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1983. S. 51.
0 Vgl.: Über Krakau / bist du gekommen, am Anhalter / Bahnhof / floß deinen Blicken ein Rauch zu, / der war schon von morgen." (GW I: S. 283).
0 Brief an Ruth Lackner vom 2.8.1942. Zitiert nach Chalfen, Israel: Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1983. S. 122.
0 Brief an Ruth Lackner vom 2.12.1949. Zitiert nach Chalfen: S. 155.
0 Aus: Briefe an Alfred Margul-Sperber. In: Neue Literatur (Bukarest), Heft 7, Nr.26 (1975), S.52-53.
0 Unveröffentlichter Brief aus dem Nachlaß von Hersch Segal. Zitiert nach Lyon, James: Judentum, Antisemitismus, Verfolgungswahn. Celans Krise" 1960-1962. In: Celan-Jahrbuch 3 (1989). S. 176.
0 Felstiner, John: Paul Celan: eine Biographie. Dt. V. Holger Fliessbach. München: Beck 1997. S.223.
0 Vgl. Lyon, James: a.a.O. S. 177.
0 Rino Sanders: Erinnerungen an Paul Celan. In: Paul Celan. Hg.v.Werner Hamacher und Winfried Menninghaus: S. 312.
0 Baumann, Gerhart: Erinnerungen an Paul Celan. Frankfurt/M. Suhrkamp 1985. S. 30.
0 GW III: S. 186.
0 GW I: S. 135.
0 GW I: S. 287. Das Zitat ist ein Ausspruch Marina Zwetajewas und ist dem Gedicht auf russisch vorangestellt.
0 Buck, Theo: Muttersprache - Mördersprache. Celan-Studien I. Aachen: Rimbaud 1993. S.35.
0 ebd.
0 Zitiert nach Felstiner, John: Paul Celan: eine Biographie. (Dt. von Holger Fliessbach). München: Beck 1997. S.339/340. Tonbandaufzeichnung, Kol Yisrael.
0 Felstiner: S.339/340.
0 GW I: S. 249.
0 Brief an Gottfried Bermann Fischer vom 14.12.1963. In: Hamacher/Menninghaus: a.a.O. S. 22.
0 Meinecke, Dietlind (Hg.): Über Paul Celan. 2. Aufl. Frankfurt/M.. 1973. S. 48.
0 Buck: a.a.O.: S. 47.
0 Lyon: a.a.O.: S. 181.
0 Petre Solomon: Briefwechsel mit Paul Celan 1957-1962. In: Neue Literatur (Bukarest) Heft 11 (1981). S.61.
0Brief an den jüdischen Filmemacher und Schriftsteller Erwin Leiser vom 15. April 1958. Aus: Erwin Leiser: Leben nach dem Überleben. Dem Holocaust entronnen - Begegnungen und Schicksale. Königsstein/ Taunus: 1982. S.75/76.
0 Chor der Waisen aus: Wohnungen des Todes. In: Fahrt ins Staublose. Die Gedichte der Nelly Sachs. Frankfurt: Suhrkamp 1961. S. 54. Im folgenden abgekürzt mit der Sigle GS.
0 Der 'Sohar' ist ein Hauptwerk der spanischen Kabbala aus dem 13. Jahrhundert und gehört zu den wichtigsten Texten jüdischer Mystik von ihren Anfängen im 1. Jahrhundert nach der Zeitrechnung bis zum Chassidismus des 18. und 19. Jahrhunderts."( Bahr, Ehrhard: Nelly Sachs. S. 50.
0 Bahr, Ehrhard: Nelly Sachs. S. 50.
0 BW: S. 23.
0 Brief an Rudolf Peyer, Paris vom 5.10.1959. In: Briefe der Nelly Sachs. Hg. v.Ruth Dinesen und Helmut Müssener. Frankfurt: Suhrkamp 1984. S.233. Im folgenden mit der Sigle BS (Briefe Sachs) abgekürzt.
0 BW : S. 28.
0 Celan schickt z.B. an Nelly Sachs die Mandelstam-Übersetzungen mit einem hebräischen Bibelzitat als Widmung: Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte" (Psalm 137,5)
0 Siehe die später erklärte Übernahme des 'Meridian'-Motivs durch Celan. Vgl. auch Sachs-Brief an Celan vom 28.10.1959: [...] Zwischen Paris und Stockholm läuft der Meridian des Schmerzes und des Trostes." (BW: S. 25)
0 Ob Celan Nelly Sachs getroffen hat, ist strittig, Wiedemann geht davon aus, daß Nelly Sachs ihn entweder nicht empfangen will oder nicht erkennt" (BW-Anmerkung: S. 141). Andere wie Dinesen konstatieren, daß sie Celan durch die Verweigerung des Besuches vor ihren 'Verfolgern' schützen wollte. (Vgl. Dinesen, Ruth: Nelly Sachs. Eine Biographie. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992. S.310/11). Letztere Version wäre auch durch ein Telegramm von ihr zu stützen, das Celan am 22.7.1960 erhält: Bin schon viel besser Kommen jetzt nicht absolut notwendig Nelly". (BW: S.52).
0 BW: S. 25.
0 Das Zitat entspricht einem im Nachlaß erhaltener Briefentwurf Celans vom Vortag, aus dem vermutlich zumindest Teile in den abgesandten Brief entnommen wurden. Als post memorandum schreibt Celan: Ich habe diese Zeilen heute vormittag geschrieben - dann habe ich gezögert, sie Ihnen zu schicken. Nein, ich schicke sie Ihnen doch, Nelly Sachs. Ich kann Ihnen nicht verschweigen, was wahr ist, wahr an sich und ein zweites Mal wahr von den Tränen her, die wir hier geweint haben." Von der Vernichtung des Briefes berichtet Nelly Sachs am 18.6.1960: Und alles getan wie Du wolltest Paul - den Brief vernichtete ich mit geschlossenen Augen in der dunklen Ausstrahlung des Schmerzes." (BW 48); vgl auch BW-Anmerkung S. 120/121.
0 Rezension von Sprachgitter durch Günther Blöker im Berliner Tagesspiegel vom 11.10.1959, Nr.4283, S.39. Blökers Rezension zielt auf die seiner Ansicht nach fehlende Wirkichkeitsbezogenheit von Sprachgitter, die er durch Celans Herkunft erklärt, was dieser offensichtlich im Sinne von 'jüdische Herkunft' deutet: Celan hat der deutschen Sprache gegenüber eine größere Freiheit als die meisten seiner dichtenden Kollegen. Das mag an seiner Herkunft liegen. Der Kommunikationscharakter der Sprache hemmt und belastet ihn weniger als andere. Freilich wird er gerade dadurch oftmals verführt, im Leeren zu agieren." Zitiert nach BW FN 1, S.118/119.
0 BW: S. 24.
0 Vgl. Bahr, Ehrhard: Paul Celan und Nelly Sachs: Ein Dialog in Gedichten. In: Shoham, Caim und Bernd Witte (Hg.): Datum und Zitat bei Paul Celan. Akten des Internationalen Paul Celans-Kolloquiums, Haifa 1986. Bern; Frankfurt/M.; New York; Paris: Lang 1987. (=Jahrbuch für Interantionale Germanistik: Reihe A, Kongressberichte; Bd.21). S. 186.
0 BW: S. 27.
0 BW: S.52/53.
0 BW: S. 53.
0 BW: S.58.
0 Dinesen, Ruth: Nelly Sachs: S. 316.
73. 0 Einmal /Glühende Rätsel IV, 1966. In: Suche nach Lebenden: S. 88. Nach einem Hinweis von Dorothee Zimmermann, einer Freundin von Nelly Sachs , beschreibt Nelly Sachs das Du dieses Gedichts als Paul Celan. Vgl. Dinesen: Nelly Sachs: S. 315.
0 Staudacher, Cornelia: Der Meridian des Schmerzes und des Trostes". Von literarischem wie zeitgeschichtlichem Rang: Paul Celans und Nelly Sachs' Briefe. Rezension vom 20.3.1993. In: Der Tagesspiegel. Nr.14/859. S.7.
0 Gerhard Bauer / Günter Holtz: Von der Erzählbarkeit des Holocaust. Nelly Sachs und Paul Celan. Die lyrische Rede von dem Verbrechen, dem keiner entkommt. In: Köppen, Manuel (Hg.): Kunst und Literatur nach Auschwitz. Berlin: Erich Schmidt 1993. S.40
0 Günter Holtz: a.a.O.: S.40.
0 Ebd.
0 Vgl. Th. W. Adorno: Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden. Hg. v. Rolf Tiedemann unter Mitwirkung von Gretel Adorno, Susan Buck-Morss und Klaus Schultz. Frankfurt/M.: 1970-86. Bd. 6: Negative Dialektik. Jargon der Eigentlichkeit. 1973. S. 355.
0 BS: S. 83 (27.10.47).
0 BS: S. 85 (21.11.47); S.110 (7.12.49).
0 Olof Lagercrantz: Versuch über die Lyrik der Nelly Sachs . Frankfurt/M.: Suhrkamp 1967. S.43.
0 Brief an Olof Lagercrantz vom 3.3.66, unveröffentlicht, zitiert nach Kersten: Die Metaphorik von Nelly Sachs. S. 379.
0 Zitiert aus dem Prosastück Leben unter Bedrohung. In: Ariel. H.3. Darmstadt: 1965. Vgl. dazu auch: Kessler, Michael; Jürgen Wertheimer (Hg.): Nelly Sachs. Neue Interpretationen. Mit Briefen und Erläuterungen der Autorin zu ihren Gedichten im Anhang. Tübingen: Stauffenburg 1994 (=Stauffenburg-Kolloquium; Bd. 30). S. 69.
0 Vgl. Kersten, Paul: Die Metaphorik in der Lyrik von Nelly Sachs. Mit einer Wortkonkordanz und einer Nelly Sachs-Bibliographie. Hamburg: Hartmut Lüdke 1970 (=Geistes- und Sozialwissenschaftliche Dissertationen 7). S. 322.
85. 0 Glühende Rätsel. Gedichte. Frankfurt/M.: Insel 1964. S. 50.
0 Kersten: Metaphorik der Nelly Sachs: S.34.
0 Zeichen im Sand - Die szenischen Dichtungen der Nelly Sachs. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1984. S. 345.
0 Krämer, Michael: Wir wissen ja nicht, was gilt". Zum poetischen Verfahren bei Nelly Sachs und Paul Celan - Versuch einer Annäherung. In: Nelly Sachs - Neue Interpretationen. S.40/1.
0 Brief an Walter Berendson vom 25.1.59. BS: S.201.
0 Beryll sieht in der Nacht oder Das verlorene und wiedergefundene Alphabet. Einige Szenen aus der Leidensgeschichte der Erde. In: Zeichen im Sand. Die szenischen Dichtungen der Nelly Sachs. Frankfurt: Suhrkamp 1966. S. 353/4.
0 Krämer, Michael: Wir wissen ja nicht, was gilt". Zum poetischen Verfahren bei Nelly Sachs und Paul Celan - Versuch einer Annäherung. In: Kessler, Michael (Hg.): Nelly Sachs. Neue Interpretationen. S.42.
0 BS: S. 173.
0 BS: S. 79 (25.6.47).
0 vgl. hierzu Bauer/Holz: a.a.O. S.42. Gleiches gilt auch für Celan: Insbesondere die Anklänge an die jüdische Kabbala gehen weniger auf originäre Kenntnisse, sondern fast durchweg auf die 'sekundäre' Lektüre der Arbeiten Scholems zurück." (Menninghaus, Winfried: Paul Celan. Magie der Form. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1980. S. 21).
0 Unveröffentlichter Brief im Nelly Sachs- Archiv der Königlichen Bibliothek in Stockholm. zitiert nach Bahr, Ehrhard: Nelly Sachs. München: Beck; München: Edition Text und Kritik 1980 (=Autorenbücher; 16). S. 51.
0 Bauer/Holtz: a.a.O. S. 44. H.d.V.
0 Bauer/Holtz: a.a.O.: S. 45.
0 BW: S. 14/15.
0 GW III: S. 185/186.
0 BS: S. 172 (30.10.1957) H.d.V.
0 GW III: S. 189.
0 GW III: S. 190.
0 In den Einstiegsluken", GW II: S. 408.
105. 0 Bahr, Ehrhard: Nelly Sachs. S. 79/80.
0 Bauer/Holtz: a.a.O. S. 53.
0 ebd.
0 GW II: S. 398.
0 Nächtlich geschürzt", GW I: S. 125.
0 GW I: S. 129.
0 GW II: S. 385.
0 Ebd.
0 Vgl. Gedichttitel: Mit wechselndem Schlüssel". GW I: S. 112.
115. 0 Da ein sehr ähnlicher 'Motivbestand' in den jeweiligen Werken von Celan und Sachs unabhängig voneinander schon vor ihrem Kontakt vorhanden waren, also ein systematischer Vergleich ausgeschlossen ist, wird ein Motivvergleich zur Interpretation der Wechselbeziehungen bei den folgenden Interpretationen nur punktuell einbezogen.
0 Krämer, Michael: Wir wissen ja nicht, was gilt". S. 54.
0 Die textimmanente Interpretation beschränkt sich im folgenden nur auf den Gedichttext selber. Jegliche Zusatzinformationen wie Textgenese, aber auch die Zuhilfenahme anderer Gedichte Celans bleiben unberücksichtigt.
0 Kommentar und Interpretation folgen den in der Zielsetzung skizzierten Grundsätzen.
0 Celan, Paul: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung. Bearbeitet v. Heino Schmull unter Mitarbeit von Michael Schwarzkopf. Frankfurt: Suhrkamp 1996. (Werke: Tübinger Ausgabe).
0 Siehe: Erdle, Birgit: Bachmann und Celan treffen Nelly Sachs. Spuren des Ereignisses in den Texten. In: Böschenstein, Bernhard; Sigrid Weigel (Hg.): Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Poetische Korrespondenzen. Vierzehn Beiträge. Frankfurt: Suhrkamp 1997. S.85.
0 Aus: Brief an Ilse und Moses Pergament vom 26.5.1960. In: BS: S. 247.
0 BW: S. S.46/47.
0 Gemeint sind Ingeborg Bachmann und der die in Meersburg die Laudatio haltende Schweizer Schriftsteller und Publizist Rudolf Hilty. In der von ihm herausgegebenen Zeitschrift Hortulus haben Celan und Sachs Gedichte veröffentlicht. Vgl. BW: S.174.
0 BW: S.46/47. Nelly Sachs fährt ohne Paul Celan mit Zug und Schiff nach Meersburg. Vgl. auch Briefwechsel-Anmerkung: BW: S.123: 38/4. H.d.V.
0 Vgl. Kommentar zu PAUL CELANS »Die Niemandsrose«. Hg.v. Jürgen Lehmann unter Mitarbeit von Christine Ivanovic. Heidelberg: Winter 1997. (=Beiträge zur neueren Literaturgeschichte; Folge 3, Bd.149).S. 14. In der Regel sind alle Textzeugen von Celan genauestens datiert und auch katalogisiert. Im folgenden abgekürzt mit der Sigle KB (Kommentarband).
0 Susman, Margarete: Das Buch Hiob und das Schicksal des jüdischen Volkes. Freiburg im Breisgau: 1968. Erstveröffentlichung: Zürich 1946.
0Ebd. S.9-10. H.d.V.
128. 0 Vgl. auch das Gedicht Unten" aus dem Gedichtband Sprachgitter, in dem es heißt: Und das Zuviel meiner Rede: / angelagert dem kleinen / Kristall in der Tracht deines Schweigens." (GW I: S. 157)
0 Felstiner; John: Paul Celan: S. 209.
0 Vgl. KB: S. 67: Die Vorderfront des Zürcher Hotels Zum Storchen" liegt am Ufer der Limmat. Auf dem Vorplatz und im ersten Stock gibt es eine Terrasse, von der aus man auf das Großmünster auf der anderen Seite der Limmat blickt."
0 Dies trifft vor allem auch für das später zu behandelnde Gedichte Soviel Gestirne zu.
0 In: Das Frühwerk. Hg. v. Barbara Wiedemann. Frankfurt: Suhrkamp 21989. S.131.
0 Vgl. Chalfen, Paul Celan. Eine Biographie seiner Jugend: S.106.: Dieses Gedicht geht auf eine erlebte Situation zurück. In einer hellen Sommernacht hatte Paul, wie er es Ruth gegenüber ausdrückte, ein Erlebnis, das als symbolischer Ausdruck seiner Liebe zu Ruth angesehen werden kann: er fühlte sich beim gemeinsamen Betrachten des Sternbilds mit ihr zu den Sternen emporgehoben. Liebe bedeutete für Paul etwas hoch in den Sternen angesiedeltes, das dem irdischen Leben entrückt war."
0 Siehe auch: Schulze, Joachim: Rauchspur und Sefira. Über die Grundlagen von Paul Celans Kabbala-Rezeption. In: Celan-Jahrbuch 5 (1993). Heidelberg: Winter. 1993. S.218.
0 Dieses Gold scheint, wie später zu sehen sein wird, auch während der Begegnung in Paris auf.
0 Brief vom 30.10.1967. In: BW: S.57/58. H.d.V.
0 Brief vom 19.8.1960. In: BW: S.92/93. H.d.V.
0 Brief vom 8.12.1967. In: BW: S.94. Bei dem Gedicht handelt es sich um Nah, im Aortenbogen, (GW II, 202) in dem es heißt: Ziw, jenes Licht."
0 Noch feiert der Tod das Leben. In: Fahrt ins Staublose: S. 381.
0 Rein syntaktisch gesehen könnte man sein höchstes, umröcheltes, sein / haderndes Wort" (Z.17/18) auch auf das Herz" beziehen. Die erste Fassung des Gedichts vom 30.Mai 1960 legt aber durch die dort ausgestrichenen Attribute letztes, sein aller / höchstes" einen Bezug auf Gott nahe.
0 Hiob 40, 1-2.
0 Psalm 130, 1-5. S.545.
0 Siehe: Stadler, Arnold: Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts. Zu den Psalmen im Werk Berthold Brechts und Paul Celans. Köln/ Wien: Böhlau, 1989 (=Kölner germanistische Studien; Bd. 26; zugl.: Köln, Univ., Diss., 1986).
S. 153.
0 Vgl. Thomas Sparr: Kommentar zu Zürich, Zum Storchen. In: KB: S. 66.
0 Susman: a.a.O. S.229. Dies liest sich geradezu als Weltentwurf Celans, der der Frage nach der Geltung des überkommenen Wissens"(Lehmann: KB: S. 21) im ersten Zyklus der Niemandsrose bestehende religiöse Weltentwürfe unterwirft und mit dem Ziel eines 'neu zu Gewinnenden' 'zerstört'.
146. 0 Vgl. Dinesen, Ruth: Nelly Sachs. Eine Biographie. Aus dem Dänischen von Gabriele Gerecke. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1992. S.305/6.
147. 0 Wer weiss". GS: S. S.146. H. d. Nelly Sachs.
0 Dinesen, Ruth: Nelly Sachs. Eine Biographie: S. 306: Sachs' Versuch, Celan in einem Glauben an einen Sinn festzuhalten, in einem Glauben daran, daß es sinnvoll ist, das Wort zu sprechen, das wahre Wort des Gedichts, das gilt."
149. 0 Aus Nelly Sachs' Dankrede, Meersburg, 29.5.1960. Die Rede ist unveröffentlicht und befindet sich im Nachlaß von Moses Pergament in Stockholm. Zitiert nach: Dinesen, Ruth: Naturereignis - Wortereignis. Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung in Gedichten von Nelly Sachs und Paul Celan. In: Text und Kontext. Bd.13 (1985/1). S.119-141. Hier S.122. Vgl. dort Fußnote 17.
150. 0 Vgl. KB: S. 68. Susman: S. 231.
151. 0 Lehmann, Jürgen. In: KB: S.23.
0 Janz, Marlies: Vom Engagement absoluter Poesie. Zur Lyrik und Ästhetik Paul Celans. S. 129. Zum Bild der Anti-Bibel vgl. auch: Stadler, Arnold: Das Buch der Psalmen und die deutschsprachige Lyrik des 20. Jahrhunderts. Zu den Psalmen im Werk Berthold Brechts und Paul Celans. Köln/ Wien: Böhlau, 1989. (=Kölner germanistische Studien; Bd. 26; zugl.: Köln, Univ., Diss., 1986): S.141f.
0 Janz, Marlies: Vom Engagement absoluter Poesie: S. 129. Mit dem Schlußgedicht spielt Janz an auf In der Luft". (GW I: S. 290).
0 .GW I: S. 225.
0 Wichtig erscheint auch, daß Gott den Menschen nicht mehr mit Sprache begabt (Z.2), was jüdischen wie christlichen Glaubensvorstellungen zuwider läuft, in denen Gott die Menschen mit Sprache beseelt.
0 Vgl. Marlies Janz: a.a.O.: S. 130: Die Erschaffung des Menschen durch Gott sowie seine Belebung und Sprachbegabung durch den göttlichen Logos werden nicht erneuert. An der Stelle des Gottes des Alten Testaments, der sich den Menschen nach seinem Bilde schuf, steht niemand mehr. Doch in eben diesem Niemand, zu dem der Schöpfergott geworden ist, erkennen die Menschen das Analogon ihrer eigenen Nichtigkeit, und in negativer Weise ist so ihre Gottesebenbildlichkeit wieder hergestellt."
0 GW I: S. 225.
0 Bremer Rede: GW I, 185.
0 Schulze, Joachim: Celan und die Mystiker. Motivtypologische und quellenkundliche Kommentare. Bonn: Bouvier 1976. S.6.
0 Scholem, Gershom: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt/M.: 1957. S.48.
0 Weitere Ausführungen: Schulze, Joachim: Celan und die Mystiker. Motivtypologische und quellenkundliche Kommentare. Bonn: Bouvier 1976. S.6.
0 Schulze: Celan und die Mystiker: S.9.
0 Scholem, Gershom: Religiöse Autorität und Mystik. In: Eranos-Jahrbuch. Bd. 26/1957. Zürich 1958. S.248.
164. 0 Wertheimer, Jürgen: Ich und Du". Zum dialogischen Prinzip bei Nelly Sachs. In: Kessler, Michael; Jürgen Wertheimer: Nelly Sachs. Neue Interpretationen. Mit Briefen und Erläuterungen der Autorin zu ihren Gedichten im Anhang. Tübingen: Stauffenburg, 1994
(= Stauffenburg-Colloquium; Bd. 30). S.78.
0 Buber, Martin: Der Glaube des Judentums. In: drs.:Kampf um Israel. Berlin: Schocken 1933. Hier zitiert nach: Kurt Wilhelm (Hg.): Jüdischer Glaube. Eine Auswahl aus zwei Jahrtausenden. Basel: Schibli-Doppler, o.J. S.505: Vgl. auch Meuthen, Erich: Bogengebete. Sprachreflexion und zyklische Komposition in der Lyrik der Moderne". Interpretations-ansätze zu George, Rilke und Celan. Frankfurt; Bern; New York: Lang 1983. S.240.
0 Schwarz, Peter Paul: Totengedächtnis und dialogische Polarität in der Lyrik Paul Celans. Düsseldorf, 1966. S.56.
0 Zürcher, Gustav: Das Gedicht als Genicht. In: Text und Kritik 53/54 (1984). S. 15.
0 Schulze: a.a.O. S.10.
0 Ebd.
0 Janz: a.a.O: S. 138
0 Vgl. KB:S.23.
0 BS: S. 232/233. Vgl. dazu auch Loewen: Gespräch mit dem Schweigen: S. 174.
0 Vgl. Bollack, Jean: Paul Celan und Nelly Sachs. Geschichte eines Kampfs. In: Neue Rundschau. Jg.105 (1994). Nr.4. S. 127.
0 Gedicht erschienen nur in Botteghe Oscure, XXI, Roma 1958, S.374; zitiert nach : Dinesen, Ruth: Naturereignis - Wortereignis. Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung in Gedichten von Nelly Sachs und Paul Celan: S.123.
0 Aus Nelly Sachs' Dankrede, Meersburg, 29.5.1960. In: Dinesen, Ruth: Naturereignis - Wortereignis. Übereinstimmung und Nichtübereinstimmung in Gedichten von Nelly Sachs und Paul Celan. S.122.
0 Vgl. ebd.
178. 0 Weissenberger, Klaus: Zwischen Stein und Stern. Mystische Formgebung in der Dichtung von Else Lasker-Schüler, Nelly Sachs und Paul Celan. Bern und München: Franke, 1976. S.95.
0 Dinesen, Ruth: Nelly Sachs. Eine Biographie. S. 304.
181. 0 Sparr, Thomas in: KB: S. 69.
0 Ebd.
0 Bauer, Gerhard / Günther Holtz. Nelly Sachs und Paul Celan. Die lyrische Rede von dem Verbrechen, dem keiner entkommt. In: Köppen, Manuel (Hg.): Kunst und Literatur nach Auschwitz. Berlin: Schmidt 1993. S.52. [Einfügung: M.S.].
0 Wertheimer, Jürgen: Ich und Du" - Zum dialogischen Prinzip bei Nelly Sachs. S.79.
0 Ebd. S.78.
0 Buber, Martin: Das dialogische Prinzip. Heidelberg: Lambert Schneider 31973. S.96/97.
0 KB: S.22.
0 Vgl. Lönker, Fred: Kommentar von Soviel Gestirne. In: KB: S. 74.
0 BW: S. 58. Celan an Sachs vom 19.8.1960.
0 BW: S. 47.
0 Sachs: Fahrt ins Staublose: S.333. In den Zürich-Notizen steht Beschäftigter" im Gegensatz zu Beschäftigte". Womöglich hat Celan das DU des Gedichts beim ersten Zitat sich selber zugeordnet. Dies wird bestätigt durch einen handschriftlichen Zusatz von Celan. Er hatte auf dieses, der Korrespondenz beigelegte Manuskript notiert:
Von Nelly Sachs
nach dem Du am 25. Mai 1960 in Zürich
am 26.5: 'Dieses Gedicht ist Dein Gedicht; Du bist gemeint.'". Vgl. BW: S. 149.
0 Jean Paul: Werke: Der Komet. In: Ders.: Werke. Sechster Band. Hg. v. N. Miller. München 1963. S. 682-686. Vgl. hierzu einen Brief Celans an Friedrich Michael vom 2. März 1961: Ja, es sind jetzt viele Bücher. Aber als ich nach Paris kam, waren es nur wenige: ein [...] gesammelter Jean Paul [...]" Vgl. Fremde Nähe. Celan als Übersetzer. Ausstellungskatalog.(Hg. Axel Gellhaus). Marbach 1997. S. 73.
0 Gedicht: siehe Interpretation von Zürich, Zum Storchen.
0 KB: S. 75. Lönker gibt als Bsp. An: GW I: 235; 258; 271; 273; 276; 279; 280; 287; 291.
0 GW I: S. 216, Vers drei.
0 Die Stunde zu Endor. In: GS: S.215-220.
0 GW I: S. 239.
0 GW: S. 218.
199. 0 Schulze: Rauchspur und Sefira: S. 218.
0 Die achte Elegie. In: Rainer Maria Rilke: Gesammelte Werke. Leipzig: Insel 1939. Bd. 3. S.293/4.
0 GW I: S. 216.
0 Meuthen: S. 242.
0 Ebd. S. 244.
0 Vgl. dazu Meuthen: S. 245: In diesem Sinne steht das Motiv des 'blinden Atems' für eine nicht zu erhellende, verborgene Dimension des Sprechens selbst."
0 Meuthen: S. 245.
0 Apk. 1.8.
0 Meuthen: S. 245.
0 GW I: S. 224.
0 Eis, Eden: GW I: S. 224, V. 9/10.
0 Ausführlich über ontologischen Bedeutungshorizont und etwaige Bedeutungen schreibt Georg-Michael Schulz: Negativität in der Dichtung Paul Celans.: S. 97ff.
0 BS: S. 172 (30.10.1957). [Herv. M.S.]
0 Ebd.
214. 0 KB: S. 180: Hebräisch aijn" bedeutet nichts", aber auch Auge" und Quelle". Dazu ausführlicher: Reichert, Klaus: Hebräische Züge in der Sprache Paul Celans. In: Hamacher / Menninghaus: Paul Celan. S. 167/8: In der hebräischen Sprache sind Auge und Nichts eng miteinander verbunden: Es ist nicht ohne Reiz, für das 'Nichts' einmal das hebräische Wort einzusetzen: es heißt ayin und beginnt [...] mit dem stummen Aleph. Dieses Wort wird genauso ausgesprochen wie der Name des ebenfalls stummen Buchstaben ayin. Das hebräische Nichts benennt also zugleich eine lautliche Nichtexistenz. Aber das hebräische Wort ayin hat zudem, wie jeder Buchstabe, eine Bedeutung: es heißt Auge. Eine Verbindung zwischen Nichts und Auge [...] ist also über die Gleichlautlichkeit hergestellt."
0 Meinecke, Dietlind: Wort und Name bei Paul Celan. Zur Widerruflichkeit des Gedichts: S. 174.
0 GW I: S. 239.
0 Siehe: Sternenlied; Zürich, Zum Storchen (letzte Strophe); Die Stunde zu Endor.
0 Siehe auch die Opposition der unbestimmten und bestimmten Artikel: ein Wort [...] ein Wort [...] das Wort".
0 Vgl. Dinesen, Ruth: Nelly Sachs. Eine Biographie. Das Kapitel über u.a. Celan ist mit 'Jüngere Brüder' betitelt.
0 BW: S.59. Brief vom 19.8.1960.
0 BW: S.59. Brief vom 23.8.1960.
0 BW: S. 61. Brief vom 29.8.1960.
0 BW: S. 62. Telegramm vom 31.8.1960.
0 BW: S. 62. Brief vom 12.10.1960.
0 BW: S. 70. Brief vom 5.12.1960.
226. 0 Neumann, Peter-Horst: Was muß ich wissen, um zu verstehen? Paul Celans Gedicht 'Die Schleuse', ein Gedicht für Nelly Sachs. Celan-Jahrbuch 1991. S.32.
0 U.a.:Marie Luise Kaschnitz, Hans Magnus Enzensberger. Vgl. hierzu auch: Reinhard Döhl: Geschichte und Kritik eines Angriffs. Zu den Behauptungen gegen Paul Celan. In: Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Jahrbuch (1960). S.101-132.
0 Vgl. Celans Brief an Alfred-Margul Sperber vom 9.3.1962: Verliehen wurde er mir, um mich, nachdem man sich dieses Alibi verschafft hatte, umso besser heruntermachen zu können." Vgl. Lyon: a.a.O.S.190.
229. 0 Peter-Horst Neumann: Was muß ich wissen, um zu verstehen?: S.32/33.
0 Felstiner: S. 213.
0 Es ist nicht bekannt, ob Celan während seines Stockholm-Aufenthaltes in Linnégatan 12 wohnte bzw. auf wen oder was sich diese Ortsangabe bezieht. Vgl. auch Neumann: Was muß ich wissen: Fußnote 16 und die wörtliche Übersetzung des Straßennamens: Linnéstr.12 in der Tübinger Ausgabe: S.28.
0 KB: S. 100.
0 In der ersten Textfassung schreibt Celan noch Schwermut". Celan, Paul: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung. Bearbeitet v. Heino Schul unter Mitarbeit von Michael Schwarzkopf. Frankfurt: Suhrkamp 1996. S.29.
0 Vgl. die doppelte Prädikation im ebenfalls auf Nelly Sachs bezogenen Selbdritt, Selbviert: Diese Stunde, deine Stunde". GW I, 216, V.3.
0 KB: S.100.
0 Sachs redet Celan im Brief vom 18.5.1960 als Bruder an: Lieber, lieber Paul - Bruder". BW: S.40.
0 BW: S.56. Brief vom 11.8.1960.
0 Zitat aus KB: S.102. Neumann zitiert aus: Jüdisches Lexikon. Frankfurt/M. 21987. S.522.
0 Tüb. Ausg.: S.28.
0 Meuthen: S. 239. Meuthen verweist zudem auf die Definition Franz Rosenzweigs: [...] Gott wird König sein über die ganze Erde; an jenem Tag wird Gott Einer sein und sein Name: Einer. Gleichwie dies höchste Wort der Hoffnung alle Tage das letzte Wort der versammelten Gemeinde ist, so steht es auch am Schluß des geistlichen Jahrs. Ihm gesellen sich an anderen Tagen des Festes die Worte Salomos [...] wo das letzte Wort in wunderbarem Miteinander die Hoffnung auf die einstige Erkenntnis aller Völker der Erde, daß der Ewige Gott ist und keiner sonst" zusammenbringt mit der Mahnung an das eigene Volk: es sei euer Herz ganz" mit dem Ewigen. Und eben dieses tragende Ineinander von Herzenseinheit, Gotteseinheit und Völkereinheit, wie es in dem Begriff der Heiligung des göttlichen Namens durch das Volk für die Völker den innersten Grund des Judentums bildet, hat in dem Hesekiel-Abschnitt dieses Festes [...] an mehreren Stellen seinen klassischen Ausdruck gefunden; auch das Gebet, das vornehmlich das Gebet dieser dreifachen Heiligung ist, das Kaddisch, hat ja hier seine biblische Quelle: und Ich erhöre mich und heilige mich und tue mich kund vielen Völkern, auf daß sie erkennen, daß Ich der Ewige bin." In: Rosenzweig, Franz: Der Mensch und sein Werk. Gesammelte Schriften II. (=Der Stern der Erlösung). Haag: Martinus Nijhoff 1976. S.355/6. H.d.V.
0 KB: S.103.
0 Celan, Paul: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung. S. 28.
0 Vgl. Paul Celan: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung: S.28.
0 Die letzte Strophe von Soviel Gestirne.
0 Felstiner: S. 214.
0 So z.B.: Peter Mayer: Paul Celan als jüdischer Dichter. Heidelberg 1969. S.43-45/ 127; Joachim Schulze: Celan und die Mystiker. Motivtypologischer und quellenkundlicher Kommentar. Bonn 1976. S.21-34.; Georg Michael Schulz: Negativität in der Dichtung Paul Celans. Tübingen 1977. S.106/107. Otto Pöggeler: Spur des Worts. Zur Lyrik Paul Celans. S.139/142. Vgl. zum Schechina-Begriff: Scholem, Gershom: Schechina: Das passiv-weibliche Moment in der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala. Zürich 1962. S.135-191. Speier faßt sinngemäß zusammen (In. KB: S. 79f): [...] so bezeichnet Schechina" im älteren jüdischen Schrifttum zunächst Gott selbst in seiner Allgegenwart und Aktivität in der Welt. In der weiteren Entwicklung des Schechina-Begriffs wird die Schechina personifiziert, woraus sich eine Trennung zwischen Gott und Schechina ergibt. [...] In der kabbalistischen Konzeption der zehn Sefiroth, der Emanationen Gottes, bildet die Schechina unter Hervorkehrung ihres weiblichen Charakters die unterste, die zehnte Potenz. Vier Momente treten an ihr dabei als wesentlich hervor: sie erscheint als Ekklesia Israels, als Seele, sodann in einer eigentümlichen Ambivalenz von Positivität und Negativität und - vor allem- in ihrem Exil." [Herv. M.S.]
0 GW I: S. 218.
0 KB: S.32.
0 Vgl. Paul Celan: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung. S. 20.
0 Vgl. KB: S. 79, 83. Vgl. hierzu: Scholem, Gershom: Zur Entwicklungsgeschichte der Schechina. In: Eranos-Jahrbuch 1952. Zürich 1953. S.45-107.
0 Dies bestätigt auch Günzel, Elke: Das wandernde Zitat. S.174.: In der jüdischen Mystik wird sie als Mutter, Tochter, Schwester der Menschen und als Geliebte Gottes bezeichnet. [...] Die Schechina ist das matriarchale Element des Judentums."
0 Meuthen: S.239.
0 Chymisch, GW I: S. 227.
254. 0 Stumme Herbstgerüche, GW I: S. 223.
0 Radix, Matrix, GW I: S. 239.
0 Meuthen: S.238.
257. 0.Celan, Paul: Die Niemandsrose. Vorstufen - Textgenese - Endfassung. S.28.
0 KB: S. 103.
0 KB: S. 103.
260. 0 Mackey, Cindy: Dichter der Bezogenheit: S. 149ff.
0 KB: S. 103.
0 KB: S. 103.
0 'Bremer Rede': GW III: S. 185/6.
0 BW: S. 29. Brief vom 14.2.1960. [Einfügung: M.S.]
0 Bach, Theo: Meridian des Schmerzes. Der Briefwechsel von Nelly Sachs und Paul Celan: Lyrik unter Freunden. In: TAZ. Nr. 4264 vom 15.03.1994. S. 16-17.
0 Vgl. hierzu: Lehmann, Jürgen: Gegenwort" und Daseinsentwurf". Paul Celans Die Niemandsrose. Eine Einführung. In: KB: S. 23ff.