Lehrernotizen zur Todesfuge



1. Biographisches

1920 als Sohn deutschsprachiger Juden in Cernowitz (damals Rumänien, heute Ukraine) geboren, studierte Medizin in Frankreich; konnte während des 2. WK aus einem Internierungslager fliehen und diente bei den sowjetischen Truppen als Sanitäter. Seine Familie wurde von den Nazis verschleppt und ermordet. Er beendete nach dem Krieg sein Studium in Paris, war dann als Sprachlehrer und Übersetzer tätig. Bedeutender Lyriker. Selbstmord 1970.
 
 

2. Erster Eindruck?
 
 

3. Was fällt am Gedicht auf?


 

4. Von welchen Menschen wird hier gesprochen?

Konzentrationslager


Lagerinsassen
wir = Juden
Lageraufseher
"er" = ein Deutscher
Erniedrigte/Verfolgte
Unterdrückte
Todesangst
Ohnmacht
Verfolger
Unterdrücker
Zynismus
Macht

Verfolgung, absolute Unterdrückung, Vernichtung




5. Was tun die Personengruppen? Was kann damit assoziiert werden? (Verben, Gegenüberstellung)
 

Lagerinsassen
trinken schwarze Milch
schaufeln ein Grab in den Lüften
spielen zum Tanz auf
stechen tiefer ins Erdreich
spielen süßer den Tod
streichen dunkler die Geigen
steigen als Rauch in die Luft
haben ein Grab in den Wolken
werden mit bleiernen Kugeln getroffen
dein aschenes Haar Sulamith
Abhängigkeit, Not, Leiden Tod
Lageraufseher
wohnt im Haus
spielt mit den Schlangen
schreibt nach Deutschland
pfeift seine Rüden/Hunde herbei
pfeift seine Juden hervor
läßt schaufeln ein Grab
befiehlt
greift nach dem Eisen und schwingt es
trifft
hetzt
dein goldenes Haar Margarete
Macht, Bösartigkeit, Zynismus, Brutalität

 

6. Die Fuge als musikalische Form:

1. Thema

2. Gegenthema

1. Durchführung 3. Wiederholung des Themas

4. Wiederaufnahme des Gegenthemas

5. Weiterführung des Themas

Zwischensatz

1. Thema

2. Durchführung 2. Gegenthema

3. Thema

4. Gegenthema

5. Weiterführung des Themas

Zwischensatz

3. Durchführung in Form eines Kanons, der die Themen ineinander verschachtelt


Im Titel des Gedichts (Todesfuge) wird auf diese musikalische, sehr strenge Form verwiesen. Mögliche Bedeutung: Diese strenge Form wird dem inhaltlichen und emotionalen Chaos entgegengesetzt. Im KZ herrscht eiserne Disziplin, die Menschen standen gleichzeitig unter unvorstellbarem psychischen Streß, da in jeder Sekunde Lebensgefahr drohte.
 
 

7. Die Stilfiguren:

z.B. schwarze Milch der Frühe (Oxymoron = zwei einander widersprechende Begriffe zusammen):
 
schwarz: Dunkelheit Milch: weiß Frühe: Frische 
Trauer Nahrung Anfang
Gefahr gesund Morgen
Fäulnis Lebensmittel neuer Tag/Sonnenaufgang
Tod/Vernichtung nahrhaft

Dieses Sitlfigur verweist auf den Verlust jeder Ordnung: "schwarze Milch" wird mit Negativem assoziiert, das sich durch die monotone Wiederholung verstärkt: Das Normale ist abnormal geworden.

 
 
8. Die Wirkung des Gedichts:

Celan und die Lyriker nach 1945 standen vor einem kulturellen Scherbenhaufen: Wie kann man das "Unsagbare" ausdrücken? Jedenfalls muß man sich von überlieferten Formen und sprachlichen Bildern lösen, um in einer neuen, paradoxen Sprache neue Beziehungen zu setzen und die Welt wieder zu erfassen. Celan wurde vorgeworfen, daß die Schönheit seines Gedichtes dem Thema (Auschwitz) nicht angemessen sei. Adorno meinte, daß "nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben barbarisch sei". Gegenstimme: "Ein modernes Gedicht kann gar nicht schön genug sein, wenn es nur nicht beschönigt. Von jeder Beschönigung ist die Todesfuge so weit entfernt wie nur eins."